Guillermo del Toro gelingt in Pan's Labyrinth ähnlich Erstaunliches wie bereits vor einigen Jahren in The Devil's Backbone. Wiederum verbindet sich auf sonderbare Weise ein realer Geschichtsdiskurs mit einer durchaus genrekonformen Fantasyerzählung, welche diesmal nicht dem Geisterfilm, sondern einer blutigeren Abart des Märchenfilms, durchaus in der Richtung Tim Burton / Terry Gilliam entnommen zu sein scheint. Dass Vergangenheitsaufarbeitung dieser Art - historisierender magischer Realismus? - auch daneben gehen kann, ja auf den ersten Blick fast daneben gehen muss, bewies zuletzt unter anderem Jeunets unerträglicher Un long dimanche de fiançailles. Der Vergleich liegt auch deshalb nahe, da auch Pan's Labyrinth, ähnlich wie The Devil's Backbone nicht davor zurückschreckt, seine Bilder mit einer nostalgisch-warmen Patina zu überziehen. Szenerien, wie durch eine getönte Glasscheibe beobachtet, Fascho-Uniformen, denen eine eigentümlich pittoreske Wirkung zukommt.
Was unterscheidet Del Toro von Jeunet? Auf der Ebene der filmischen Form vielleicht gar nicht so viel. Ein wenig mehr Zurückhaltung bei den Versuchen, eine fiktive Welt zu erschaffen, weniger Establishing Shots, der Verzicht auf ausstattungsausstellende Plansequenzen, der dezentere Einsatz von Musik? Vielleicht insgesamt die Tatsache, dass Del Toro seine fiktive Welt immer deutlich bewußter, reflektierter moduliert, in vielen Sequenzen die Techniken des Continuity System zugunsten einer Technik außer Kraft setzt, die Zeit und Raum der Montage unterordnen und nicht umgekehrt. Jedoch auf sehr subtile Weise, beispielsweise durch "Baumblenden": Die Kamera schwenkt von einer Szenerie auf einen Baum und was auf der anderen Seite desselben zum Vorschein kommt, entspricht nicht der erwarteten Perspektive.
Nie versucht sich der Film an den angeberischen, affirmativen Totalen, den Authentizitätsbekundungen des konventionellen Historiendramas, wie es derzeit auch verstärkt das deutsche Kino heimsucht. Die Artifizialität der Diegese bleibt stets bewußt, ausgestellt. Und doch legt der Film Wert auf historische Zeichen, die jedoch genau in ihrer Zeichenhaftigkeit (als historisch determinierte Zeichen eines fiktionalen Films) lesbar bleiben und keinen Anspruch darauf erheben, in dem Spielfilm fremden Diskursen wie der Historiografie eindringen zu wollen. Keinen Angriff auf das nationale kulturelle Gedächtnis Spaniens hat Del Toro im Sinn.
Fast noch sonderbarer ist der Erfolg des Films in Bezug auf die in das historische Setting eingebundenen Fantasyelemente. Der Übergang zwischen beiden Welten ist oft direkt im Bild präsent, wenn Kreidestriche sich zu einer magischen Tür öffnen oder ein fliegendes Insekt sich in eine Fee verwandelt. Der besondere Reiz dieser Abschnitte (auch wenn mir der Film in dieser Hinsicht nicht ganz so gut gefallen hat wie The Devil's Backbone, der die beiden Ebenen noch etwas sinnvoller in Bezihung setzten konnte) geht wohl nicht zuletzt darauf zurück, dass Del Toro nicht davor zurückschreckt, die onirischen Bilder mithilfe einiger viszeralen Exzesse zu erden. Durchbohrtes Fleisch und jede Menge Insekten (bereits seit dem ziehmlich großartigen Mimic ein fester Bestandteil der Del Toroschen Welt) sorgen dafür, dass die Flucht in die Traumwelt für die kleine Ofelia immer in genuin körperlichen Erfahrungen endet.
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