Alone in the Dark, Jack Sholder, 1983
Worauf der Film hinausläuft - vier Insassen einer psychiatrischen Klinik brechen aus und terrorisieren einen ihrer Ärzte samt Familie - ist von Anfang an klar, trotzdem überrascht der Film immer wieder, in seinen plötzlichen Schwerpunktverlagerungen und Tonlagenwechseln. Am Anfang eine lyncheske Alptraumsequenz in einer Bar mit dem Namen "Mom's", in der schweigsame Männer am allzu langen Tresen sitzen, bis einer das Messer auspackt; dann Schnitt vom ausholenden Messer auf eine sehr generische Titelsequenz: menschenleerer Flur, gewinkelte Kamera, cheesy Eightiesmusik; dann erst einmal eine ganze Weile fast schon sozialrealistisches Problemkino um einen Psychiater, seine Patienten, seine Frau, seine liebevoll und ausführlich gezeichnete friedensbewegte Schwester und so weiter; ein Stromausfall bringt Chaos und Dunkelheit, aber dann ist erst einmal wieder Ruhe. Gegen Ende wird Alone in the Dark dann doch noch Terrorkino pur, aber so ganz rechnet der Film das alles nicht gegeneinander auf.
Besonders (und wenn man sich nur an der bloßen Genreökonomie orientiert: unangemessen) viel investiert der Film in zwei Figuren: in die Schwester und in den Chefpsychiater (Donald Pleasance), der auch dann noch an das Gute im Psychopathen glaubt, wenn der sich schon seit geraumer Zeit auf fröhlicher Menschenjagd befindet. Beide Figuren binden das Psychotiker-Motiv an die Utopien der Siebziger Jahre (eigentlich stammt die gesamte Idee eines "sozialen Bösen" aus den seventies, in den Achtzigern gibt es da nur wenige Nachzügler; Alone in the Dark ist einer der Interessantesten); es ist nicht so, dass der Film dann einfach nur diese Utopien diskreditieren, in einem Blutbad auflösen möchte. Denn gleichzeitig gibt es eine Kritik am Konzept des Patienten und eine tendenzielle Nivellierung der Unterschiede zwischen Gesunden und Kranken. Und allgemeiner geht es durchaus den ganzen Film über um Möglichkeiten, andere Menschen verstehen, zu ihnen eine Beziehung aufbauen zu können. Die letzte Szene (Jack Palance auf dem Punk-Konzert) ist dann so oder so ziemlich unglaublich.
Sole Survivor, Thom Eberhardt, 1983
Gleiches Jahr, wieder ein Horrorfilm mit psychiatrischem Thema, aber ganz andere Stimmungslage; es geht um ein angebliches "sole survivor"-Syndrom, das laut Drehbuch-Küchenpsychologie dazu führt, dass Überlebende von Unglücksfällen eine psychischen Todestrieb entwickeln. Die "Materialisierung" dieses Syndroms in Gestalt von wandelnden Leichen (eine tolle Figur ist ein aus nicht nachvollziehbaren Gründen staatsskeptischer Arzt, der sich darüber wundert, dass immer mehr Leichen auftauchen, deren Blut in ihre Beine gesackt ist) lässt sich dann natürlich bald nicht mehr auf Psychisches zurückbinden.
Ich kenne, glaube ich, keinen Hollywoodfilm der Achtziger (ach was, der gesamten letzten vier Jahrzehnte), der den Val-Lewton-Filmen so nahe gekommen wäre, wie dieser. In seinem Versuch, Stimmungen in Texturen einzufangen, zum Beispiel (wie die verregnete Fensterscheibe das Gesicht ornamentiert); in seinem Versuch, den ontologischen Status der "verstörenden Bilder" so lange wie möglich so offen wie nur möglich zu lassen; in einzelnen Einstellungen, in denen sich die Verstörung, der Riss im Alltagsrealismus als filmischer Effekt langsam entfalten kann (wenn sich die beiden Liebenden trennen, er läuft nach hinten weg, sie nach vorne auf die Kamera zu, sie wird von einer Stimme aus dem Off "angerufen", er ist noch zu sehen, aber nicht mehr erreichbar); auch in Figurenzeichnung und Schauspielführung - kaum zu glauben und eine Schande, dass Anita Skinner nach dieser großartigen Rolle keinen weiteren imdb-Credit mehr hat, wie sie die stets reflektionsfähige, smarte Hauptfigur anlegt, das ist einfach großartig.
I, Madman, Tibor Takacs, 1989
Komplett ins Imaginäre, Selbstbezügliche gekippt ist der Horrorfilm dann in I, Madman. Ein Roman macht sich selbstständig, als Text auf der Tonspur (in erster Person vorgetragen, eine emphatische, psychotische Subjektivität, die Welten erschafft, um sie gleich wieder zu vernichten) zunächst, später als ein Serienkiller, der sich selbst "zusammenflicken" muss: von jedem Opfer ein Körperteil. Die Leserin, die den Horror aufgrund ihrer Liebe zum pulp erst in die Welt gesetzt hat, wird ihm schließlich auch wieder ein Ende setzen, mithilfe eines anderen Hirngespinsts. Der Endkampf findet, wie auch andere zentrale Szenen, in einer überquellenden Buchhandlung statt, deren hartgekochte Besitzerin einen eigenen Film verdient hätte. Unterhaltsam ist das alles durchaus.
Alle drei Filme wurden mir von Oliver Nöding empfohlen. Vielen Dank dafür!
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