Saturday, June 29, 2013

Il Cinema Ritrovato 2013: Garments

The first film I saw at this year's festival - after sneaking in an ongoing screening - was something called "Coiffures et types de Hollande", a short documentary short from France about hat types and garments (?) from the Netherlands. The print was hand-colored and extremely beautiful - most scenes had at least three bright, forceful colors, mostly applied on the hats and the garments, seldom (if at all) on the background, never on the faces or on other visible body parts. The colors were so powerful that they literally added another dimension to the screen: the pale faces of these dutch women receeded into the background and made way for their ornate framings. One of the women had a shining hairpiece, that was even more extraordinary, as its fluorescent reflection seemed to open up a world strikingly different from the one the woman was placed in (a world almost obliterated by color - but nevertheless a world of the year 1910). In this moment, the best 3d-film I saw this year almost turned into the best science-fiction-film I saw this year.

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At Il Cinema Ritrovato, one could spend the whole festival just watching programmes of short films from the first two decades of cinema... Well, to be more precise, one could, but I don't think I could. For me, in short film programmes there is always the danger of the films cancelling each other out; and for short film programmes of early cinema, this danger seems especially valid, because of the fleeting nature of these images, because of their resistence to the very idea of form. Sometimes I think, that the itself amorphous Youtube-stream is indeed the best possible medium for these early images - although of course, the "stereoscopic colors"-effect described above would be completely lost, there.

Yesterday, however, I did see one of these programmes, the one starting almost directly after Coiffures et types de Hollande, called "Dieci anni di cento anni fa". At first glance, it's standout film was La peine du Talion, a magnificently crafted fantasy about girls with butterfly wings, insects - and a male butterfly hunter who actually gets pinned down with a needle himself at one point. The film was hand-colored, but its colors weren't applied as neatly an the ones in Coiffures et types de Hollande. Instead (and in perfect accordance with the dreamlike structure of the film), they floated across the screen almost like another layer of the image, only loosely connected to the butterfly wings and insect tentacles.

My favorite film, however, was a documentary of only three minutes: I pizzi di Venezia is also a film about garments - but without colors, maybe even without the possibility of color. The first shot shows women in a factory-like room, working. The next shots (which form the main part of the film) show just their hands, working with needles on complex garments ("venezianische Spitzen" - the intertitles are in german language). In a way, the film skips the individual, in jumping directly from the workplace to the (embodied) work. And in the last minute of the film, to the result of the work: one shot shows the finished garment handed over to a male chargehand (?), who accurately checks the product. The last part of the film consitst of some shots of this products: intricate white structures in front of a completely black background. So this film, which feels to me like an almost uncanny condensation of the foundations of modern society, ends with almost pure light projected onto darkness - with some kind of minimal definition of cinema.

Popmusik ohne Nostalgie / Nostalgie ohne Popmusik (American Eighties 31)

Ein paar einführende Worte zu einer Vorführung von Bill Forsyths Housekeeping, am 5.6. im Österreichischen Filmmuseum.

Housekeeping war ein Film, auf den wir in unserer Recherche recht spät gestoßen waren, der aber zumindest für mich, ich glaube auch für Nikolaus Perneczky zu einem der wichtigsten Filme der Reihe geworden ist. Zunächst ein paar Worte zur Produktion, weil schon die Existenz dieses Films inmitten des amerikansichen Mainstreamkinos uns, auch nach unserer vorherigen intensiven Beschäftigung mit demselben, noch einmal besonders überrascht hat. 
Housekeeping, die erste amerikanische Regiearbeit Bill Forsyths, ist sicherlich einer der ungewöhnlichsten Filme, der von einem Hollywood-Major-Studio in den 1980er-Jahren produziert wurde; wobei man gleich dazu sagen muss, dass unsere Reihe auch ansonsten geeignet ist, aufzuzeigen, wie problematisch es ist, von Mainstream- und Independentkino zu sprechen und dabei nicht zwischen ästhetischen und filmindustriellen Kategorien zu unterscheiden. James Camerons Terminator zum Beispiel, ein Film, der aus heutiger Sicht wie kaum ein zweiter unserer Reihe den filmästhetischen Mainstream anzeigt, ist eine Independentproduktion, die von Orion Pictures in die Kinos gebracht wurde. Die literarisch inspirierte, feinsinnige Außenseitergeschichte, die Sie gleich sehen werden, wurde dagegen von der Columbia sowohl produziert als auch verliehen. 
Freilich ist Housekeeping kein typischer Major-Film der 1980er. Die Produktion von Housekeeping fällt in den recht kurzen, gerade einmal gut 13 Monate langen Zeitraum zwischen August 1986 und Oktober 1987, in dem der Brite David Puttnam die Columbia leitete. Aus derselben Phase, deren rasches Ende für einige Beobachter ein unheilvolles Vorzeichen für die weitere Entwicklung der amerikanischen Filmindustrie war - kurz nach Putnams Entalssung wurde Columbia an Sony verkauft - stammen noch zwei weitere Filme der Reihe: Ridley Scotts Noir Someone to Watch Over Me sowie Jim McBrides The Big Easy, den die Columbia allerdings nicht selbst produzierte, sondern lediglich einkaufte und in den Verleih aufnahm. 
Puttnam hatte in den Siebzigern als unabhängiger Produzent begonnen. Zu seinen frühen Filmen zählen einige Regiearbeiten Ken Russells, der große Erfolg kam dann allerdings mit den Filmen einer Gruppe britischer Regisseure, die mit seiner Hilfe aus der Werbung in den Spielfilm überwechselten: zum Beispiel Ridley Scott, der auch in unserer Reihe vertreten ist, außerdem einige Filmemacher, deren Fehlen in unserer Reihe durchaus ein wenig programmatisch zu verstehen ist (zumindest von meiner Seite): allen voran sind da Alan Parker und Adrian Lyne zu nennen. Insgesamt stand Puttnams Name also nicht für kleinformatiges Autorenkino, sondern eher für die geleckt produzierte Qualitätskinovariante des High-Concept-Films. 
Die introspektiven Filme des Schotten Forsyth passen schon deshalb nicht so recht in diese Gruppe, weil der Regisseur nicht von der Werbung, sondern vom Dokumentarfilm und dem public television zum Kino wechselte. Dennoch produzierte Putnam auch Forsyths größten Erfolg, die Komödie Local Hero, holte auch ihn anschließend nach Hollywood und blieb ihm sowohl über seinen eigenen Misserfolg bei Columbia, als auch über Forsyths Misserfolg mit Housekeeping an den Kinokassen hinweg treu: Puttnam produzierte auch Forsyths dritten und letzten amerikanischen Film Being Human, der allerdings vom distributor Warner Brothers so schäbig behandelt wurde, dass der Regisseur sich endgültig von Hollywood abwandte. 
Vom Film selbst möchte ich nicht viel vorwegnehmen; auch ein wenig, damit Sie, falls Sie in den letzten Wochen schon ein paar andere Filme in unserer Reihe gesehen haben, vielleicht ein wenig unser Erstaunen über seine Besonderheit nachfühlen können. Andererseits interessiert uns natürlich auch Housekeeping nicht in erster Linie als eine isolierte Besonderheit inmitten eines von ihm völlig verschiedenen Kinos, sondern als ein Film zwischen anderen Filmen. 
Zunächst wollten wir in unsere Auswahl nur solche Filme aufnehmen, deren Handlung in der mehr oder weniger unmittelbaren Gegenwart der 1980er-Jahre situiert war. Der Gedanke hinter dieser reichlich strengen Einschränkung war, dass wir das Hollywoodjahrzehnt der 1980er-Jahre eben nicht als die Dekade des filmischen Eskapismus diskreditieren, sondern als einen Kinozusammenhang vorstellen wollten, dem seine Zeitgenossenschaft eingeschrieben ist. Recht schnell hatten wir dann allerdings festgestellt, dass wir dieses Kriterium gleich in zwei Richtungen aufweichen müssen, wenn die Filmauswahl eben diesem Anspruch auch nur halbwegs gerecht werden soll: Zum einen kommt man nicht darum herum, die Science-Fiction-Dystopien des Jahrzehnts als eindringliche Zeitdiagnosen zu lesen; und zum anderen, vielleicht noch wichtiger, entstand in den Achtzigern eine fast schon unüberschaubare Menge an Filmen, die in den Fünfziger und Sechziger Jahren spielen und die dabei einen nostalgischen Modus aufrufen, der unverkennbar nicht nur ein Kommentar über die Vergangenheit sein will, sondern der recht genaue Ideen darüber entwickelt, wie diese Vergangenheit sich zur damaligen Gegenwart verhält. 
Einige dieser Nostalgiefilme konnten Sie in unserer Reihe schon sehen: Christine von John Carpenter zum Beispiel, oder The Outsiders von Francis Ford Coppola; übermorgen läuft als eine besonders interessante Variantion auf dieses informelle Genre der poetische Kinderhorrorfilm Lady in White. Die beiden vielleicht schönsten Filme aus diesem Zusammenhang sind heute zusammen programmiert: gerade eben John Sayles’ Baby It’s You, jetzt gleich Housekeeping. 
Wobei letzterer auch in dieser Gruppierung wieder ein spezieller Fall ist. In den meisten hier programmierten Nostalgiefilmen kann man davon ausgehen (auch wenn das natürlich trotz allem im Bereich des Spekulativen bleibt), dass das Objekt der Nostalgie zumindest teilweise in eins fällt mit einer recht spezifischen biografischen Nostalgie der jeweiligen Filmregisseure: Festmachen kann man das nicht zuletzt an den Soundtracks, die derart liebevoll die Popkultur jeweils sehr spezifischer Epochen rekonstruieren, dass man nicht umhin kommt, eine gewisse fetischistische Investition zu unterstellen. 
Housekeeping funktioniert ganz anders, nicht nur, weil Popmusik sehr sparsam eingesetzt wird - und da, wo sie doch auftaucht, ganz sicher keine warme Nostalgie aufruft. Falls Bill Forsyth in dem Film eigene biografische Erfahrungen verarbeitet, dann höchstens auf völlig andere, weil mehrfach vermittelte Art: Während er selbst in seiner Jugend in Glasgow lebte, erzählt der Film von zwei Mädchen, die in den Fünfziger Jahren in einem kleinen Ort im pazifischen Nordwesten heranwachsen. Außerderm basiert der Film auf einem Roman der Schriftstellerin Marilynn Robinson; man muss nicht zuviel daraus machen, aber ich glaube, dass auch diese weibliche Perspektive der Vorlage dafür sorgt, dass Housekeeping einen komplett anderen Zugang zur Vergangenheit sucht als die popkulturgetränkten Jungsfilme, die das Nostalgiegenre der Zeit dominierten. (The Outsiders basiert ebenfalls auf dem Roman einer Schriftstellerin basiert - S.E. Hinton -, eine weibliche Perspektive entwickelt der Film aber sicher nicht). 
Auch in den anderen hier erwähnten und in dieser Reihe gezeigten Filmen bleibt die Nostalgie nicht ungebrochen. Housekeeping jedoch ist ein Film, nach dem sich jede Form von Sehnsucht nach Heimat und Ursprung zumindest ein wenig falsch anfühlen muss.

Ans Kino glauben (American Eighties 30)

Ein paar einführende Worte zu einer Vorführung von Frank LaLoggias Lady in White, am 5.6. im Österreichischen Filmmuseum.

Die Achtziger Jahre waren allgemein ein gutes Jahrzehnt für den amerikanischen Horrorfilm; vielleicht sein bislang letztes wirklich gutes Jahrzehnt. Nebenbei: Wenn in der Reihe hier im Filmmuseum davon nicht so viel zu sehen ist, dann deswegen, weil eine ergänzende, parallele Reihe im Filmmuseum sich da jeden Freitag umso tiefer vorwagt. Selbst Autoren wie Robin Woods, die im Achtzigerjahrekino grundsätzlich nur Reaganisiertes und den Ausverkauf der Siebzigerjahre-Utopien finden, gestehen ein, dass das Horrorgenre zumindest für einige Regisseure ein Refugium des Widerständigen war, dass also neben den wie am Fließband produzierten Slasherfilmen in der direkten oder indirekten Halloween-Nachfolge Platz war für Filme, die den gesellschaftlichen Härten der Achtziger die angemessenen blutigen Bilder entgegen setzten. Lady in White freilich, der Horrorfilm des heutigen Abends, ist ein ganz besonderer Fall: zum einen ist das ein klassischer Gruselfilm ohne extreme Schockbilder 
Lady in White ist ein Film, von dem man beim besten Willen nicht behaupten kann, er wäre aus der Mitte des amerikanischen Kinos entsprungen. Entstanden ist er außerhalb der Industrie, in Rochester, NY, der Heimatstadt Frank LaLoggias, der in Personalunion als Regisseur, Drehbuchautor und Produzent fungiert. LaLoggia ist einer von vielen Außenseitern des amerikanischen Kinos der letzten Jahrzehnte. Gerade einmal drei Filme, allesamt Horrorfilme, hat LaLoggia zwischen 1981 und 1995 drehen können, der letzte erschien schon nur noch auf Video, seither hat er keinen weiteren mehr fertiggestellt - wobei er derzeit, habe ich vor kurzem erfahren, wieder versucht, ein neues Projekt auf die Beine zu stellen.  
Diese Außenseiterschaft war nicht der ausschlaggebende Grund für die Auswahl des Films, aber es ist, glaube ich, durchaus wichtig, dass man nicht nur entlang von Erfolgsgeschichten erzählt, wenn man sich einem Kinojahrzehnt als Ganzem annimmt, wie diese Reihe es tut. Dass man nicht nur die besonders produktiven Regisseurskarrieren nachzeichnet, nicht nur die das Jahrzehnt im Rückblick prägenden Genres und Motive auflistet; sondern sich auch für gescheiterte Karrieren interessiert, für Filmografien, die unfertig wirken und die oft auf Abzweigungen verweisen, die das Kino als Ganzes nicht eingeschlagen hat. 
Lady in White ist nicht einfach nur eine Independentproduktion in dem Sinne, dass in dem Film kein Geld von einem der sechs Majorstudios steckt; LaLoggia gründete für den Film eine Aktiengesellschaft und verkaufte, mithilfe eines zehnminütigen Promotrailers, Anteile seines Projekts noch vor Drehbeginn an der Börse, mit einem Eingangspreis von zehn Cent pro Aktie. Wie genau er auf diese Weise 4,7 Millionen US-Dollar zusammenbekommen hat, habe ich ehrlich gesagt nicht bis ins letzte Detail verstanden, er behauptet jedoch, insgesamt mehrere Tausend Kleinanleger als Investoren gewonnen zu haben; die Tatsache, dass er seither nicht noch einmal etwas Ähnliches versucht hat, spricht dafür, dass das Finanzierungsmodell doch nicht allzu nachhaltig war. Zumindest ist das eine schöne Idee, eine viel schönere eigentlich als das derzeit so weit verbreitete Crowdfunding, bei dem es nur daraum geht, dem jeweiligen persönlichen Lieblingsregisseur ein Almosen zukommen zu lassen: Dass da risikofreudige Kleinanleger aus dem ganzen Land zusammengekommen sind, weil sie an eine bestimmte Art von Kino glauben, das die nur noch in Hundertmillionenbeträgen denkenden Studios nicht mehr produzieren wollen. 
Dass ausgerechnet diese Außenseiterposition in unserer Reihe gelandet ist und nicht eine von fast unzähligen anderen, liegt auch daran, dass LaLoggias Außenseiterschaft keine selbstgewählte ist: ähnlich wie George Romeros Knightriders könnte man auch Lady in White als einen “hypotetischen Blockbuster” bezeichnen. Vielleicht passt eine solche Bezeichnung hier sogar noch besser. Lady in White ist ein Film, der von Anfang bis Ende im Idiom des Populären erzählt ist - vielleicht nicht im Idiom des zeitgenössischen, seinerseits immer schon auf einzelne Zielgruppen zugeschnittenen Populären, eher in einer erzählerischen und visuellen Rhetorik, die auf ähnliche Weise auf ein maximal breites Publikum zielt, wie es zum Beispiel die Filme des klassischen Hollywoodkinos vor der Einführung unterschiedlicher Altersfreigaben getan hatten: ein Horrorfilm für die ganze Familie, dessen kindliche Haupt- und Identifikationsfigur.
Es mag seltsam erscheinen, ausgerechnet einen Film mit dem klassischen Hollywoodkino in Verbindung zu bringen, der komplett außerhalb der Filmindustrie seiner Zeit entstanden ist und dessen Entstehungsgeschichte gerade zur arbeitsteiligen Produktionswirklichkeit einer solchen Idee einen denkbar harten Kontrast bildet.



Spektakelkino (American Eighties 29)

Ein paar einführende Worte zu einer Vorführung von Robert Aldrichs ...All the Marbles, am 08.05. im Österreichischen Filmmuseum.

Zum zweiten Film des heutigen Abends nur noch ein paar Worte: Genauso, wie das Filmprogramm „The Real Eighties“ nicht einfach nur das 1980er-Hollywoodkino repräsentieren möchte, repräsentiert Robert Aldrichs ...All the Marbles ebenfalls nicht einfach nur das Filmprogramm „The Real Eighties“. Wir hoffen, dass unsere Filmauswahl das Hollywoodkino der 80er von einer besonders interessanten, anregenden Perspektive aus erschließt – und ich bin mir ziemlich sicher, dass der Film des heutigen Abends ein besonders vorteilhaftes Licht auf unser Programm werfen wird. 
...All the Marbles ist ein Film – nicht der einzige der Auswahl – der in gewisser Weise gleichzeitig nach und vor New Hollywood anzusiedeln ist, was nicht nur mit der Biografie seines Regisseurs Robert Aldrich zu tun hat. Ein Film, der von den Erneuerungsbewegungen der Sechziger und Siebziger mitgenommen hat, was er für seine eigenen Zwecke benötigt – einen entkrampften, ehrlichen Umgang mit Sexualität zum Beispiel und eine von den Zwängen der Selbstkontrolle befreite Sprache. Ein Film, der aber gleichzeitig viel von dem behalten hat, was das klassische Studiokino, das Ende der Sechziger Jahre von vielen zum Auslaufmodell erklärt worden war, so großartig gemacht hatte. Vor allem vielleicht eine Art entspannte Hybridität der Stimmungen, Tonlagen und Genres. ...All the Marbles ist, bei aller konventioneller Sportfilm-Dramaturgie im Großen, im Kleinen ein völlig unberechenbarer und exzentrischer Film, der einen und vielleicht auch sich selbst mit seinen Volten andauernd überrascht. Außerdem ist der Film, auch das verbindet ihn meiner Meinung nach mit dem klassischen Hollywoodkino, einerseits als Spektakelkino goutierbar (und zwar ohne schlechtes Gewissen); und andererseits leistet er eine Art halbreflexive Kulturkritik, die sich zum Beispiel in jenen hochgradig sonderbaren Sequenzen manifestiert, in denen Peter Falk mit seinen California Dolls zu Opernmusik durch staubig-ölige Industriepanoramen fährt. 
Eine andere Spur, die man in ...All the Marbles aufnehmen und hoffentlich in einigen anderen Filmen der Reihe weiterverfolgen kann: Das Achtziger-Jahre-Kino ist auch ein Kino der Entwurzelten. Auf andere Art konnte man das, glaube ich, gerade in Hoppers Out of the Blue sehen. Da war die Entwurzelung eine biografische, gleichzeitig aber sozusagen auch eine nationalbiografische, die mit dem Vietnam-Trauma zusammenhängt. Eine ganze Gruppe von Filmen der Reihe beschäftigt sich mit einer anderen Art von Entwurzelung, die eher, könnte man sagen, kulturindustriell vermittelt ist. Wir haben diese Gruppe von Filmen für uns Schaustellerfilme genannt, auch wenn es meist nicht direkt um Jahrmarkt geht. Es gibt aber eine ganze Reihe von Filmen vor allem in den frühen Achtzigern, die sich Gruppen von Menschen widmen, die sich in die Weiten Amerikas aufmachen, um an der dreckigen Unterseite der Kulturindustrie ihr Glück zu versuchen. Hier zeigen wir aus dieser Gruppe noch George A. Romeros Knightriders, Clint Eastwoods Bronco Billy und als melancholische Spätachtzigervariante Steve Kloves' The Fabulous Baker Boys. All diese Filme pendeln auf interessante Art zwischen Resignation und einem eigenartigen Utopismus. In gewisser Weise kann man sie auch lesen als Filme, in denen Hollywood über sich selbst spricht; genauer gesagt: ein bestimmter teil von Hollywood, von dem heute nicht mehr viel übrig ist: jener Teil, der daran glaubte, dass man mit den Mitteln und in der Sprache des Populären, aber ohne sich dabei der Franchise-Logik zu bedienen und durchaus in der Mitte des Mainstreams Geschichten über und für das gesamte Amerika erzählen kann.

Tuesday, June 25, 2013

Cheers 11.25

Eine tolle Szene in der letzten Episode von Cheers, einer eigentlich unmöglichen Episode, die etwas zuende bringen muss, was auf maximale Nichtabschließbarkeit angelegt ist - mehr als die meisten anderen Sitcoms, glaube ich. Die Crew (minus Diane und Rebecca, die als ehemalige love interests von Sam nichts mehr zu suchen haben in einer Runde, in der keiner auf einen anderen erotisch bezogen sein darf) gruppiert sich für einmal nicht mehr um den quadratischen Tresen, der immer gleichzeitig Barriere und Medium der Kommunikation ist, sondern im lockeren Halbkreis zwischen Tresen, Fernseher, Büro und dem Telefon im Durchgang zu Toiletten und Hinterzimmer, in einem Raum, der vorher immer wieder alles mögliche war: Rückzugsort, Transitraum, Manövrierfläche, narrativer und kommunikativer Verfügungsraum. Für einmal wird der Tresen als trennender Vermittler überflüssig, bis auf den auf zusammengekauerten, entmächtigten Sam sitzt auch niemand "korrekt" auf einem Platz, statt dessen: auf dem Boden, auf mehreren Stühlen, auf dem Tresen (Carla). Für einmal suspendiert die Serie außerdem ihren kommunikativen Modus der beständigen wechselseitigen Unterbrechung, jeder erhält die Möglichkeit, in der offenen, improvisierten Runde seine Sicht auf die Welt in erstaunlicher Ausführlichkeit auszubreiten - selbst Carla lässt Cliff ausreden. Das eigentlich erstaunliche: dass diese Szene trotzdem nicht ein komplettes Gegenmodell zu den vorherigen 271 Episoden synthetisch-modulierter Kommunikation darstellt; dass die einzelnen Beteiligten in ihren Monologen natürlich doch nur wieder - aber anders - dasselbe ausagieren können, was sie vorher am Tresen in immer neuen Variationen entworfen haben; dass die Szene lediglich offenlegt, wie sehr es in der besten aller Fernsehserien auch vorher schon immer um genuine Welterschließung im Miniaturformat gegangen war.



Wednesday, June 19, 2013

Autry

Sehr gut gefallen mir die Gene-Autry-B-Western von Joseph Kane (was für einen Anteil am gefallen die Regie hat, kann ich mangels Vergleich noch nicht sagen; gut gemacht sind sie zumindest alle), die ich mir zur Zeit gelegentlich anschaue. Knapp einstündige, oft ziemlich wirre Abenteuergeschichten mit Gesangszwischenspielen, die den wilden Westen in einer eher späten Phase der Erschließung zu zeigen scheinen: Die claims sind bereits abgesteckt, haben sich zu grenzfaschistischen Privatmonopolen verestigt, die jetzt wieder aufgebrichen werden müssen. Und zwar von Gene Autry und seinem Anhang, den Agenten des aufklärerischen Blödsinns.

In fast jedem Film gibt es mindestens eine, oft mehrere Szenen, die einfach nur zeigen, wie die Truppe (von jeweils unterschiedlicher Größe, mal ist nur der großartige Smiley Burnette dabei, oft noch einer dieser Wunderheilmittelverkäufer, daneben anderes, von Film zu Film austauschbares Personal) in die jeweilige Siedlung einreitet, harmlose Lieder singend, alsbald eine Show auf einem öffentlichen Platz vorbereitend. Die Truppe kollidiert dann regelmäßig mit irgendeiner bäsartigen Intrige - hinterher kann man oft nicht eonmal genau sagen, wie sie hineingezogen werden, es scheint eher so zu sein, dass das zwei Existenzformen in einer natürlichen Opposition sich befinden. Und dass sich diese Opposition dann irgendwie ausagieren muss.

Auf der einen Seite brutale Zwangsgemeinschaften, die das Recht des Vaters in allen Lebenslagen ausagieren; auf der anderen die alberne Keimzelle einer pluralistischen Gesellschaft, die individuellen Wert nicht von Tradition und roher Gewalt, sondern von der Lautstärke des jeweiligen Spektakels her bemisst. Insofern sind die die Handlung unterbrechenden Showeinlagen kein bloßer Zusatz, sondern der eigentliche Kern der Filme: In ihnen zeigt sich, warum die Autry-Crew über die jeweiligen, streng paternalistischen bad guys der Stunde nicht nur in diesem speziellen Fall, sondern aus einer historischen Notwendigkeit heraus siegen muss.

Längst ist für Autry der wilde Westen zum Spezialeffekt geworden. Nicht nur tritt er bisweilen auch innerhalb der Handlung als Radiostar auf; interessant ist vor allem das wiederkehrende Motiv des "gefälschten / mechanischen Autry": Aus brenzligen Situationen befreit er sich besonders gern mit Tricks, die darauf basieren, dass er mithilfe von Stiefeln, gelegentlich auch mithilfe einer ausgefeilteren Apparatur seine Anwesenheit an einem Ort im Raum simuliert, während er sich eigentlich an einem anderen befindet. Wie alles andere ist die körperliche Identität zu einer Frage der Performanz geworden.

Thursday, June 13, 2013

Znoy aka Heat, Larisa Shepitko, 1963

Kaum noch ein schwarz-weiß-Film, eigentlich ein Weißfilm: Die kirgisische Steppe wirkt wie ausgebrannt, verschlingt, gemeinsam mit dem von ihr kaum zu unterscheidenden Himmel alles in ihrer allumfassenden Helligkeit. Die Menschen, die hier wohnen, versuchen verzweifelt, mit ihrem Pflug zum Beispiel, ein paar Spuren von Dunkelheit in das blendende Licht einzutragen, aber weit kommen sie nicht. Die an der Plotoberfläche verhandelte Auseinandersetzung zwischen technischem Fortschritt und althergebrachter Lebensform kristallisiert sich gerade nicht an der Maschine; die ist dem Licht genauso schutzlos ausgeliefert wie die Natur - die es ihrerseits eh kaum gibt, die eher als weißes Ungeheures, in der Form von Wirbelstürmen aus reinem Licht zum Beispiel, in den Film eindringt. Höchstens werden die Maschinen, wie die Menschen, zu Silhouetten vorm Horizont, von allen Seiten bedrängt von einem Licht, das sie regelrecht aufzufressen scheint.

Der Film wird bestimmt von Agenten des Lichts. Staub oder Rauchschwaden unklarer Herkunft zum Beispiel wirbeln fast weiß auf und ebnen noch die sachteste visuelle Differenzierung ein; mehrmals legen sich lens flares über das Bild, legen eine zweite, rein optische Helligkeit über die vorgängige photochemisch-sandige erste. Irritierenderweise gibt es auch einen menschlichen Agenten des Lichts: ein sturer, dem Alten verhafteter Bauer, der gegen den studierten Neuankömmling aus der Stadt Position bezieht und am Ende weichen muss, in die Tiefe des Raums, der eigentlich keine Tiefe hat (das ist das formale Paradox des Films: diejenige visuelle Achse, die er am wenigsten "greifbar" macht, weil Vorder- und Hintergrund zumeist fast völlig gleich undifferenziert hell sind, ist die wichtigste Bewegungsachse - andauernd Blicke und Bewegungen in die Untiefe des Frames, ziellose Blicke und raumlose Bewegungen, die dem ganzen Film etwas Gespenstisches verleihen).

In einer Schlüsselszene demütigt jener Bauer seine Frau, indem er sich weigert, das Licht im Zelt zu löschen, bevor sie sich auszieht - mit dem Hinweis darauf, dass die "Intellektuellen" ja weiterhin Lesen können müssten. Die todbringende Helligkeit um ihn herum setzt er mit Sichtbarkeit gleich (während sie in Wahrheit nur blendet) und daraus schließt er wiederum auf ein Primat der Pornografie. Die Kamera macht nicht mit, sie rückt der Frau nicht auf den Leib, sondern nur nahe an ihr Gesicht, ihre Hilflosigkeit, und in dem Moment, in dem sie sich ihm beugt, löscht der Neuankömmling das Licht. Der Neuankömmling (der außerdem seine eigene, wunderschöne, bloß angedeutete Liebesgeschichte - wiederum in die Tiefe des Raums hinein inszeniert - hat) steht nicht so sehr für die Dunkelheit, als für den Kontrast, der sich schon zwischen seinem schwarzen Haarschopf und seinem weißen Pullover formt. Ob sein bisschen angelesenes Weltwissen freilich ausreicht, der todbringenden kirgisischen Helligkeit etwas Bleibendes entgegen zu setzen, lässt der Film völlig offen.

Friday, June 07, 2013

Mike's Murder, James Bridges, 1981 (American Eighties 28)

"I can see out, they can't see in", sagt Pete (Darrel Larson) zu Betty (Debra Winger), als er sie in ihrem eigenen Haus anfällt, in einem letzten, verzweifelten Versuch, sein Leben zu retten. Man kann das lesen als eine verzweifelte, paranoide Anrufung des Kinodispositivs - in seiner Cavell'schen Theoretisierung, als automatische Weltprojektion, der Projektion einer "world past" genauer gesagt, von der der Zuschauer aufgrund seiner nichthintergehbaren Nachzeitigkeit zwingend abwesend ist.

Die ganze Szene, die dann, kurz vor Schluss des Films, folgt, fühlt sich an wie ein unmöglicher Blick in das Innere, auf einen sonst verborgenen Ursprung des Kinos. Ein Flackern, eine Illumination unklarer Herkunft - eigentlich löscht Pete das Licht gleich zu Beginn - liegt über den Gesichtern der beiden, die in einer schauspielerischen tour de force all die Affekte ausagieren, die im restlichen Film höchstens als gedämpfte, ironische Nachbilder ihrer selbst verfügbar zu sein scheinen. Nur ganz im Inneren der Hell-Dunkel-Kammer des Kinos scheint es einen direkten Draht zum psychischen System zu geben - und nur zum Preis eines noch grundsätzlicheren Weltausschlusses. Zu der Szene gehört auch das an ihr grundlegend Pathologische: Natürlich geht es für Pete nicht mehr um jenen erkenntnistheoretischen Skeptizismus, für den Cavell das Kino verehrt und der gerade die erzwungene Passivität des Zuschauers als eine Voraussetzung für einen "postskeptischen" Welt- und Selbstbezug erscheinen lässt; für Pete ist das Kinodispositiv degeneriert zu einer psychotischen Maschine der Einschließung - nicht "of the world", sondern "against the world".

Nebenbei: „I can see out, they can't see in“ - das könnte man auch verstehen als die Imagination eines Kontrollblicks aus dem dunklen Turm im Zentrum des Foucault / Bentham'schen Panopticons (einer bösartrgen Zerrfigur der Cavell'schen Theorie). Allerdings hat sich auch diese Anordnung gründlich verschoben: Um das „I can see out“ geht es schon gar nicht mehr, das ist nur noch Rhetorik – der Überwachungsblick hat sich längst dezentralisiert, ist diffundiert in eine amorphe Sphäre des Visuellen, die keine Differenzen und Hierarchien mehr ins Sichtbare einziehen muss, weil ihre Herrschaft von Anfang an eine totale ist. An den Ort des klassischen, voyeuristischen Kontrollblicks flüchtet Pete nicht, weil er selbst noch die Kontrolle zu erlangen können gaubt, sondern aufgrund des zweiten Teils der Bestimmung: „they can't see in“.

Wie sich diese beiden theoretischen Linien zueinander verhalten, ist schwer zu bestimmen. Vielleicht könnte man sagen: Betty, die sich ebenfalls stets, aber eher auf eine entspannte Weise, von der Welt distanziert, die sich fast ausschließlich in Innenräumen aufhält und die angezgogen wird von Aus-der-Zeit-Gefallenem (von Mike zum Beispiel) ist noch ein Kinowesen im Cavell'schen Sinne, das zurecht erschrickt, wenn ihr eigenes Weltverhältnis für Pete und andere Männer, auf die sie trifft (den voyeuristischen Fotografen zum Beispiel, der sie und Mike beim Tennisspiel fotografiert hat), zum Foucault'schen Blickterrorregime degeneriert. Die Cavell-Perspektive bleibt allerdings mindestens für diesen Film auch insgesamt interessanter als die Foucault-Perspektive, schon, weil sie von der spezifischen (Nach-)Zeit(l)ich/gkeit des Kinos ausgeht; die in Mike's Murder in Konflikt gerät mit einer anderen Zeitlogik, die keine Differenz mehr aushält.

Das Regime der Synchronisation, der Gleichzeitigkeit lauert bereits hinter jeder Ecke: Fernsehen, Video, als Scharnier das Polaroid - und als Schmiermittel Kokain. Unmittelbar vor der Szene mit Pete und Betty, die das Kinodispositiv noch einmal, aber eben als pervertiertes aufruft, besucht Betty mit einer Freundin eine Vernissage-Party aus dem Medien/Video/Konzeptkunstbereich. Deren spezifischen Oberflächen sind rückblickend ausgesprochen dated und deshalb wieder historisierbar, innerhalb des Bridges-Films jedoch stehen sie für eine totale Durchdringung und ahistorische Verschließung, auch für die narzisstischen Zirkelschlüsse (der Bildschirm, der nur noch eine Verdopplung des Selbst ist) einer sich an der Immanenz berauschenden Welt. Der monochromen Flächigkeit dieser Partyszene entspricht auch das zappelige Herumalbern vor Videokameras einiger männlicher Prostituierten, in dem die Intimität des Kinos zugunsten eines Exhibitionismus verschwindet, der gar nicht mehr auf einen spezifischen Voyeur angewiesen ist.

Mike's Murder ist ein Film, der im Regime der Gleichzeitigkeit von Nachzeitigkeiten heimgesucht wird. Die besondere Intensität der Verschränkung beider Zeitlogiken entspringt der Produktionsgeschichte: James Bridges wollte seinen Neo-Noir erst, ungefähr im Stil von Nolans Memento vermutlich, nonlinear vom Ende zum Anfang erzählen. Die Studiobosse waren nicht erfreut über das Ergebnis (die erste Schnittfassung ist bis heute absolut unzugänglich und existiert möglicherweise überhaupt nicht mehr), Bridges musste den Film umschneiden; wobei er vermutlich nicht einfach nur der Zeitstrahl „begradigte“, sondern noch einige weitere Änderungen vornahm (unter anderem wurde der Soundtrack komplett ausgetauscht). In die release-Fassung trägt sich diese Umfaltung nur in kleinen Irritationen ein, die den Film jedoch umso nachhaltiger destabilisieren.

Verschärft werden die Irritationen, weil im Film Nachzeitigkeit auch thematisch ist; schon strukturell geht es in allen Detektivgeschichten um die temporale Kluft zwischen Tat und Aufklärung, die durch Rekonstruktion und logische Beweisführung überwunden werden muss. In Mike's Murder wird die Form traumatisch über-, eigentlich verformt: Betty sucht gar nicht so unbedingt nach dem Mörder ihres Lovers Mike, vermutlich weiß sie von Anfang an, dass sie sich da auf etwas einlassen würde, was sie nicht zuende führen könnte. Eher bewegt sie sich halbwillkürlich, wie automatisiert entlang jener Wege durch Los Angeles, die Mike vor ihr gegangen war – seinem Unglück entgegen. Diese beiden Passagen durch LA waren ursprünglich vermutlich so angelegt, dass die der ursprünglichen filmischen Zeit gemäß erste (also die Bettys) Rätsel aufgeben sollte, die dann von der zweiten (also der Mikes) gelöst werden: ach, deshalb also interessiert sie sich für diesen Nachtclubeingang, deswegen hat sie vorher so lange auf diese Villenzufahrt gestarrt.

In der release-Version fällt der Rätseleffekt weg; umso eindringlicher bewusst wird die unwiderbringliche Nachzeitigkeit, von der Bettys Blick auf den Nachtclubeingang, auf die Villenzufahrt infiziert worden sind: der, der vorher noch in objektiv, unbefangen anmutenden Einstellungen dieselben Orte durchquerte, ist gestorben – und irgendwie hat sich damit jede Form von Präsenzeffekt als Lüge demaskiert. Mehr als alles andere weisen diese Blicke Betty als ein Wesen des Kinos aus. Paradoxerweise ist time erst, nachdem sie in die vermeintliche Linearität zurückgefaltet ist, wirklich out of joint.

Die Frage ist dann nur, ob Betty ein Kinowesen bleiben kann. Die Schlussszene der release-Fassung wäre im zur Zeit nur hypothetisch existierenden director's cut die Anfangsszene und dann so lesbar, dass in ein harmonisches Setting (das noch nicht verstimmte Klavier, die warme kalifornische Sonne, der amüsiert genervte Tonfall beim Telefongespräch mit den besorgten Eltern) die Fotografie Mikes, der in diesem Fall zu Filmbeginn bereits / noch tot ist, als destabilisierendes Moment einbricht - auch, weil das Fotogramm schon qua seiner Medialität eine andere Zeitlichkeit in den Film einträgt, eine Vergangenheit, die dann im Film zur Zukunft geworden wäre.

Zumindest, was diese letzte = erste Szene angeht, scheint die neue Montage einen Unterschied ums Ganze zu machen. Denn das Verhältnis des Fotos zum Rest der Anordnung hat sich gedreht: Nicht mehr das Foto wirkt auf die Gesamtszene (nämlich: verunsichernd), sondern die sonderbare Harmonie der Gesamtszene aufs Foto: Man muss sich fragen, ob das Foto unter solchen Umständen und nach all den Dingen, die der Film vorher durchgearbeitet hat, überhaupt noch das Potential birgt, eine Differenz in die südkalifornische Gegenwartswelt, die von allen Seiten von den Agenten der Selbstidentität umringt scheint, einzutragen. Die Vermutung liegt nahe, dass in einer solchen Welt eine Fotografie höchstens noch als ein Tapetenmuster unter vielen taugt. Doch zynisch ist das Ende nicht; eher formuliert es eine offene Frage da, wo in der ersten Schnittfassung doch vor allem Ursache-Wirkungs-Verkettungen in Gang gesetzt wurden.

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Wer in Mike's Murder stirbt, verliert nicht einfach nur sein Leben, er wird regelrecht ausgelöscht. Die Morde geschehen offscreen, Mike selbst löst sich in actionpaintingartige Blutflecken an der Wand auf, Terry wird aus der Tür und dem Film hinaus gezerrt, nach dem Erstickungstod sieht man seinen Leichnam noch einmal kurz, das Gesicht wie nach Innen gefaltet. Nichts, so scheint es, darf vom alten Regime des Kinos übrigbleiben, nicht einmal und vielleicht erst recht nicht eine Leiche, nichts, was den Tod anzeigt, der in der Mortalitätsmaschine Kino immer mitgedacht wurde.