Durchs Zielfernrohr geraten Schriftzeichen auf Schildern, die entlang der Landstraße aufgestellt sind, in den Blick: "Many Accidents" ... "Have Occured" ... "in this Area" ... "Caution". Dann der Titelschriftzug "Take Aim at the Police Van". Im Police Van, dem der Blick durchs Zielfernrohr - das bestätigt bereits der eingeblendete Filmtitel - eigentlicht gilt: ein Gangster, der "Aki" mit dem Finger ans beschlagene Fenster schreibt.
Um "Aki", beziehungsweise "Akiba" geht es dann im Weiteren. "Akiba" steht ein für den Boss eines Menschenhändlerrings (ein menschenhändlerring ist dem Film eine Organisation, der es gelingt, ein knappes Dutzend junger Frauen in einen KLeinwagen zu sperren), "Akiba" ist aber nicht einfach der Name dieses Bosses, dem der Film bis zur Schlusszene kein Gesicht und keine Identität verleihen möchte. "Akiba" ist zuerst nur ein freischwebender Signifikant und Suzuki gibt sein bestes, diesen Zustand möglichst lange aufrecht zu erhalten.
"Akiba" ist eine Zeichenfolge, der im Film lange nur ein Paar Schuhe und einige seltsame Subjektiven entsprechen. Zeichen (Schrift / ikonische Symbole) und das, woran sie sich heften: Ein Kleinkrimineller leugnet erst, am Prostitutionsgeschäft beteiligt zu sein. Der Held greift ihm an den Hals, wendet seine Krawatte, entdeckt die schematische Zeichnung einer nackten Frau, enttarnt ihn. Ein anderer Kleinkrimineller hat eine Tasche bei sich mit der Aufschrift: "No U-Turn". Die schwenkt er wie wild und die Kamera freut sich immer, wenn die Schrift im Bild ist. Die ist dann auch Anlass für gleich mehrere Scherze und tatsächlich gelingt Goro, dem Besitzer der Tasche, der U-Turn aus der Kriminalität heraus nicht.
Wie Goro wieder und wieder die Tasche schwenkt: eine kleine erratische Geste unter vielen. Ein Mädchen räkelt sich sehr ausdauern hinter einer Zeitung. Der Held kehrt, als er die Kneipe verlassen will, noch einmal kurz um, läut an den Tresen, blickt in die Kamera, verschwindet endgültig. Nicht nur die Regie ist eigensinnig, Suzukis Figuren sind es auch und vor allem: sie sind es auf etwas andere Weise als die Regie. Vielleicht ist das einer der Gründe dafür, dass Suzukis Filme so großartig sind.
Saturday, December 26, 2009
Thursday, December 10, 2009
Cronaca di un amore, Michelangelo Antonioni, 1950
Wahrscheinlich ist es nicht besonders sinnvoll, den ersten Langfilm Antonionis vor allem auf Spuren der späteren, kanonischen Antonioni-Ästhetik zu befragen und das, was nicht in dieser aufgeht, als vernachlässigbaren Überschuss abzutun. Dennoch scheint mir zumindest der Noir-Plot (der recht leicht als James M. Cain-Variation zu identifizieren ist, nicht nur, weil Massimo Girotti seine Rolle aus Ossessione wieder aufgreift), der den Film auf den ersten Blick prägt, etwas zu sein, was - auf interessante Art - von außen in das Antonionische Werk hineinragt. In der Tat tritt der Detektiv, der in den Film einführt und in der Vergangenheit Paolas stöbert, bald in den Hintergrund, taucht eher pflichtschuldig alle Viertelstunde kurz auf, führt ein Telefonat oder schreibt einen Brief und verschwindet wieder. Am Ende desintegriert die Kriminalerzählung völlig: Ob das Knallen in der Dunkelheit ein platzender Autoreifen ist oder der Schuss einer Pistole, interessiert den Film ganz einfach nicht mehr.
Es kommt mir so vor, als ob Antonioni in Cronaca di un amore sein Material noch nicht vollständig unter Kontrolle hat. Die einzelnen Elemente stehen noch etwas quer: der erwähnte Noir-Plot, die neorealismo-Zeichen, um die man in einem ambitionierten italienischen Film aus dem Jahr 1950 wohl einfach nicht herum kommt, schließlich das zentrale Charakterdrama, das sich zwischen Paola (Lucia Bosé) und Girottis Guido entfaltet. Der Film stellt heterogenes Material gegen- und nebeneinander, ist aber deswegen nicht ein bisschen chaotisch. Das zentrale bourgeoise Melodram ist hier über die Biografie der Hauptfigur noch an eine neorealistisch konnotierte working-class-Vergangenheit angebunden (auch in Le amiche, einem weiteren frühen, freilich weitaus weniger gelungenen Antonioni, findet sich ein ähnliches Motiv, das Antonioni in die Nachbarschaft Rossellinis rückt; allein seine beiden Kurzfilme N.U. und Gente del Po machen deutlich, dass der Regisseur vom nerorealismus nocht nur beeinflusst, sondern einer seiner Protagonisten war). Die beiden sozialen Sphären fügen sich nicht harmonisch in-, sondern stehen schroff nebeneinander. Genauer: man benötigt schon einen Privatdetektiv, um sie gemeinsam in den Blick zu bekommen. (Der Privatdetektiv im klassischen Hard-Boiled-Roman hat btw gelegentlich eine ähnliche Funktion; bei Chandler und Hammet eher nebenbei, bei Ross Macdonald viel expliziter.)
Großartig sind schon in diesem ersten Film die Sequenzen, die das Herzstück des Antonionischen Werkes darstellen: Die Dialoge der beiden sich immer wieder ver- und entliebenden Hauptfiguren, aufgelöst in Szenen mit jeweils sehr wenigen, fließenden Kameraeinstellungen. Deren schönste beschreibt einen 180°-Drehung auf einer Brücke in einer einzigen Einstellung. Eine andere derartige Szene ist um den Aufzugsschacht eines Treppenhauses herum konstruiert, die meisten spielen in Schlafzimmern. Anders als in der Eröffnungssequenz von L'eclisse gibt es in Cronaca di un amore nur wenig, was zwischen das Paar gerät. Dominiert werden die Zimmer von den jeweiligen Betten. Mal liegt er darauf, mal sie, mal keiner, selten beide.
Die Art, wie sich die Kamera zu den beiden Figuren verhält, ähnelt dem Verhältnis der Figuren zueinander. Beide Verhältnisse sind konstant nur in ihrem Wandel. Die langen Einstellungen setzen nicht nur zwischenmenschliche Verhandlungen ins Bild, sie stellen selbst Verhandlungen dar. Verhandlungen über Natur, Sinn und Zweck von Kommunikation, über die Voraussetzungen und Bedingungen der sozialen Konventionen, in denen sich Liebe zwangsläufig artikulieren muss. Verhandlungen durch stetiges Reframing. Mal liegen beide nebeneinander, mit den Rücken zur Kamera, dann stehen sie sich gegenüber, oder sie stehen hintereinander, sie hat den Kopf abgewandt, er insistiert auf der eigenen Präsenz, die Kamera folgt den Figuren nicht einfach, sie verhält sich in ihren Bewegungen zu ihnen.
Das Folgende mag banal klingen oder auch sein, egal: Dass es in Antonionis Filmen um von sich selbst und von anderen entfremdete Individuen, um "leeren Raum" und misslingende Kommunikation geht, dieses Klischee stimmt nicht einmal im Fall von L'eclisse oder L'avventura. Antonionis Räume sind nur selten leer und erst recht nicht ist diese Leere jemals einfach nur nihilistisch / existentialistischer Kommentar, Versinnbildlichung einer anderen, inneren, psychischen Leere. Antonionis Räume sind soziale Räume, von denen die Illusion ihrer unproblematischen Lesbarkeit abgezogen ist, die aber dennoch nie außerhalb von Sinn und Bedeutung stehen. Noch weniger zeigen die Filme einfach nur das Misslingen / die Abwesenheit von Kommunikation. Statt dessen zeigen sie Kommunikation als das, was sie ist: als einen sozialen Prozess mitsamt Redundanzen und Rauschen, als einen Prozess vor allem, an dem mindestens zwei menschliche Körper im physikalischen Raum beteiligt sind. Dieser Prozess verlangt bei Antonioni nach der Plansequenz und nicht nach der Montage, weil letztere tendenziell von Körpern und Räumen zugunsten einer "reinen" Bedeutung abstrahiert. (Die Montage bleibt dem Film weitgehend äußerlich, wenn einige Schnitte eine direkte Analogie zwischen dem Mann und dem Liebhaber nahelegen, wird diese im weiteren Verlauf nie eingeholt.) Gerade die Art Gespräch, die Antonioni bevorzugt, könnte in entkörperlichter und enträumlichter Form automatisch auch keine genuine Bedeutung mehr transportieren. Das heißt auch: der Vulgärexistenzialismus, den sich die Filme - allen voran I vinti - selbst auf die Fahnen schreiben, bleibt ihnen in letzter Instanz ebenso äußerlich wie die Vulgärpsychoanalyse den Filmen Hitchcocks.
Es kommt mir so vor, als ob Antonioni in Cronaca di un amore sein Material noch nicht vollständig unter Kontrolle hat. Die einzelnen Elemente stehen noch etwas quer: der erwähnte Noir-Plot, die neorealismo-Zeichen, um die man in einem ambitionierten italienischen Film aus dem Jahr 1950 wohl einfach nicht herum kommt, schließlich das zentrale Charakterdrama, das sich zwischen Paola (Lucia Bosé) und Girottis Guido entfaltet. Der Film stellt heterogenes Material gegen- und nebeneinander, ist aber deswegen nicht ein bisschen chaotisch. Das zentrale bourgeoise Melodram ist hier über die Biografie der Hauptfigur noch an eine neorealistisch konnotierte working-class-Vergangenheit angebunden (auch in Le amiche, einem weiteren frühen, freilich weitaus weniger gelungenen Antonioni, findet sich ein ähnliches Motiv, das Antonioni in die Nachbarschaft Rossellinis rückt; allein seine beiden Kurzfilme N.U. und Gente del Po machen deutlich, dass der Regisseur vom nerorealismus nocht nur beeinflusst, sondern einer seiner Protagonisten war). Die beiden sozialen Sphären fügen sich nicht harmonisch in-, sondern stehen schroff nebeneinander. Genauer: man benötigt schon einen Privatdetektiv, um sie gemeinsam in den Blick zu bekommen. (Der Privatdetektiv im klassischen Hard-Boiled-Roman hat btw gelegentlich eine ähnliche Funktion; bei Chandler und Hammet eher nebenbei, bei Ross Macdonald viel expliziter.)
Großartig sind schon in diesem ersten Film die Sequenzen, die das Herzstück des Antonionischen Werkes darstellen: Die Dialoge der beiden sich immer wieder ver- und entliebenden Hauptfiguren, aufgelöst in Szenen mit jeweils sehr wenigen, fließenden Kameraeinstellungen. Deren schönste beschreibt einen 180°-Drehung auf einer Brücke in einer einzigen Einstellung. Eine andere derartige Szene ist um den Aufzugsschacht eines Treppenhauses herum konstruiert, die meisten spielen in Schlafzimmern. Anders als in der Eröffnungssequenz von L'eclisse gibt es in Cronaca di un amore nur wenig, was zwischen das Paar gerät. Dominiert werden die Zimmer von den jeweiligen Betten. Mal liegt er darauf, mal sie, mal keiner, selten beide.
Die Art, wie sich die Kamera zu den beiden Figuren verhält, ähnelt dem Verhältnis der Figuren zueinander. Beide Verhältnisse sind konstant nur in ihrem Wandel. Die langen Einstellungen setzen nicht nur zwischenmenschliche Verhandlungen ins Bild, sie stellen selbst Verhandlungen dar. Verhandlungen über Natur, Sinn und Zweck von Kommunikation, über die Voraussetzungen und Bedingungen der sozialen Konventionen, in denen sich Liebe zwangsläufig artikulieren muss. Verhandlungen durch stetiges Reframing. Mal liegen beide nebeneinander, mit den Rücken zur Kamera, dann stehen sie sich gegenüber, oder sie stehen hintereinander, sie hat den Kopf abgewandt, er insistiert auf der eigenen Präsenz, die Kamera folgt den Figuren nicht einfach, sie verhält sich in ihren Bewegungen zu ihnen.
Das Folgende mag banal klingen oder auch sein, egal: Dass es in Antonionis Filmen um von sich selbst und von anderen entfremdete Individuen, um "leeren Raum" und misslingende Kommunikation geht, dieses Klischee stimmt nicht einmal im Fall von L'eclisse oder L'avventura. Antonionis Räume sind nur selten leer und erst recht nicht ist diese Leere jemals einfach nur nihilistisch / existentialistischer Kommentar, Versinnbildlichung einer anderen, inneren, psychischen Leere. Antonionis Räume sind soziale Räume, von denen die Illusion ihrer unproblematischen Lesbarkeit abgezogen ist, die aber dennoch nie außerhalb von Sinn und Bedeutung stehen. Noch weniger zeigen die Filme einfach nur das Misslingen / die Abwesenheit von Kommunikation. Statt dessen zeigen sie Kommunikation als das, was sie ist: als einen sozialen Prozess mitsamt Redundanzen und Rauschen, als einen Prozess vor allem, an dem mindestens zwei menschliche Körper im physikalischen Raum beteiligt sind. Dieser Prozess verlangt bei Antonioni nach der Plansequenz und nicht nach der Montage, weil letztere tendenziell von Körpern und Räumen zugunsten einer "reinen" Bedeutung abstrahiert. (Die Montage bleibt dem Film weitgehend äußerlich, wenn einige Schnitte eine direkte Analogie zwischen dem Mann und dem Liebhaber nahelegen, wird diese im weiteren Verlauf nie eingeholt.) Gerade die Art Gespräch, die Antonioni bevorzugt, könnte in entkörperlichter und enträumlichter Form automatisch auch keine genuine Bedeutung mehr transportieren. Das heißt auch: der Vulgärexistenzialismus, den sich die Filme - allen voran I vinti - selbst auf die Fahnen schreiben, bleibt ihnen in letzter Instanz ebenso äußerlich wie die Vulgärpsychoanalyse den Filmen Hitchcocks.
Wednesday, December 09, 2009
Seinfeld desintegriert...
...doch ein wenig in den letzten beiden Staffeln nach Larry Davids Rückzu als show runner. Manchmal auf sehr interessante ("The Bizarro Jerry"), manchmal auf weniger interessante Weise. Insgesamt scheint die Serie sich, auch wenn nach wie vor jede Folge großartige Momente hat, etwas zu wohl zu fühlen in ihrem eigenen Universum, die Figuren verwandeln sich in ihre eigenen Klischees. Ausnahme: Jerry selbst, dessen zunehmende Infantilisierung ist eine durchaus konsequente Entwicklung. Am unglücklichsten ist Georges Entwickung. Dessen schemes werden immer bizarrer, sein web of lie nimmt immer abstrusere Ausmaße an, aber das existenzialistische Verzweifeln an der eigenen Existenz ist nicht mehr ihre Rückseite und Antriebskraft. George hat sein Zentrum verloren, nämlich die pure negative Energie, die ihn und die Serie vor allem in den Staffeln drei bis fünf in wahnwitzige Gefilde trieb.
---
Das Verhältnis der Serie zum Kino wäre eine nähere Untersuchung wert. Ob es um reale Filme geht (die legendäre Schindler's List-Folge, die The English Patient-Folge, Spartacus) oder die zahlreichen fiktiven Filmtitel: Ich kenne keine Serie, in der ähnlich oft ins Kino gegangen wird. Cinephil ist Seinfeld deswegen natürlich noch lange nicht. Keiner der Beteiligten hatte eine nennenswerte Kinokarriere, auch ästhetisch ist Seinfeld nicht deswegen interessant, weil die Serie sich in Richtung "cinematic television" orientieren würde. Nein, das ist durch und durch Fernsehen, was da passiert. Wenn Seinfeld über das Kino spricht, tut die Serie das meist ironisch, manchmal wohlwollend und immer aus der Position eines Mediums, das sich seines historischen Sieges über den Kontrahenten sicher ist.
---
Das Verhältnis der Serie zum Kino wäre eine nähere Untersuchung wert. Ob es um reale Filme geht (die legendäre Schindler's List-Folge, die The English Patient-Folge, Spartacus) oder die zahlreichen fiktiven Filmtitel: Ich kenne keine Serie, in der ähnlich oft ins Kino gegangen wird. Cinephil ist Seinfeld deswegen natürlich noch lange nicht. Keiner der Beteiligten hatte eine nennenswerte Kinokarriere, auch ästhetisch ist Seinfeld nicht deswegen interessant, weil die Serie sich in Richtung "cinematic television" orientieren würde. Nein, das ist durch und durch Fernsehen, was da passiert. Wenn Seinfeld über das Kino spricht, tut die Serie das meist ironisch, manchmal wohlwollend und immer aus der Position eines Mediums, das sich seines historischen Sieges über den Kontrahenten sicher ist.
Labels:
Cinephilie,
Fernsehen,
George Costanza,
Seinfeld,
Sitcom
Friday, December 04, 2009
The Promotion, Steve Conrad, 2008
Was man in dem Supermarkt, in dem The Promotion zu weiten Teilen spielt, am wenigsten sieht, sind die Kunden. Die tauchen lediglich über Beschwerdebriefe auf, die sie auf dem Parkplatz vor dem Markt einwerfen. Der Kunde ist eine reichlich abstrakte Entität in diesem Film, eine, die den Mikrokosmos Supermark antreibt und die dessen Rechtfertigung darstellt, von der dieser Mikrokosmos aber am leichtesten zu abstrahieren vermag - und der Film auch. Folglich ist The Promotion kein Film über den Neoliberalismus, sondern ein Film über das Leben im Neorealismus. Der Supermarkt interessiert als Biotop, als Versuchsanordnung im sozialen Raum. Die Kunden sind mobil, sie gelangen über den Parkplatz in den Markt und verschwinden auf demselben Weg. Die Kunden werden auch für einen wie Doug (Seann William Scott, immer brav gekämmt und oft nervös lächelnd) nie zum Problem. Dafür aber alle anderen.
Die schwarzen Jugendlichen (Gangmitglieder wäre etwas hoch gegriffen, es fliegen schließlich lediglich Kakaoflaschen) lauern auf dem Supermarktparkplatz und lassen sich von Doug nicht vertreiben. Die schwulen, banjospielenden Nachbarn lauern im Appartment nebenan. Ein dunkeläutiger Schnauzbartträger starrt durchs Wohnzimmerfenster auf Doug und seine Frau (Jenna Fischer, die hier mehr oder weniger ihre Rolle als durch und durch lauwarmes Objekt der Begierde aus The Office weiterführt). Diese Frau wiederum könnte, wenn es Doug die angestrebte Beförderung nicht erreicht, bald mehr verdienen als er selbst. Die Kassierer, die er zu beaufsichtigen hat, haben ebenfalls dunkle Hautbarben und an ihrem Arbeitsplatz haben sie eindeutig mehr kulturelles Kapital als Doug. Doug fährt mit öffentlichen Verkehrsmitteln zur Arbeit. Auch hier gibt der weiße Heteromann nicht mehr den Ton an, eigentlich müsste er Auto fahren, doch als er einmal in ein Auto einsteigt, gehört das seinem kanadischen Kollegen und Kontrahenten Richard (wieder einmal großartig: John C. Reilly als White-Collar-Aspirant wider Willen). Und der hat es noch viel schwerer als Doug. Prekäres Mittelklasseleben und ethnische Spannungen als awkward comedy.
Für einen wie Doug müssen die Transformationen des Amerikas der Gegenwart wie ein langsames aber nicht mehr aufzuhaltendes fade to black erscheinen. Und Doug weiß, dass er kein early adapter ist. Der einzige Ausweg ist der gesellschaftliche und ökonomische Aufstieg. Ein eigenes Haus würde räumliche Distanz schaffen. Das Board of Directors der Supermarktkette ist und bleibt auch noch bis auf weiteres weiß. Ein Refugium für einen, der das offene Visier scheut eher denn ein Karriereziel für das Subjekt des Neorealismus, das Doug natürlich trotzdem irgendwie ist. Toll, wie der Film es schafft, Doug in seinem Bestreben weder zu affirmieren, noch zu diskreditieren. Der macht einfach nur das, was ein Mann mit seiner Hautfarbe und seiner Frisur in seiner Situation zu tun hat.
Ich kann mich nicht an viele Filme der jüngeren Vergangenheit erinnern, die sich auf so interessante Art und Weise wie The Promotion - nominell nur eine unter vielen Komödien irgendwo zwischen Indie und Mainstream - auf die vor allem multiethnischen Realitäten Amerikas eingelassen hätte. In einer großartigen Szene hält Doug eine Rede in einem afroamerikanisch geprägten Community Center, die zu einer komplexen Verhandlung soziokultureller Selbstverständnisse wird. Seine genau klakulierten Scherze funktionieren zwar nicht wirklich, sie zeigen aber genau so viel guten Willen, wie nötig ist, um das angespannte Verhältnis zwischen Community und Supermarkt (nicht: zwischen Supermarkt und Kundschaft) ein wenig zu entspannen. Dann allerdings kommt Richard und erzählt etwas von einem "black appel"... So lange der US-Komödie Szenen wie diese im Community Center gelingen, wird sie die relevanteste Spielart des nordamerikanischen Kinos bleiben.
Die schwarzen Jugendlichen (Gangmitglieder wäre etwas hoch gegriffen, es fliegen schließlich lediglich Kakaoflaschen) lauern auf dem Supermarktparkplatz und lassen sich von Doug nicht vertreiben. Die schwulen, banjospielenden Nachbarn lauern im Appartment nebenan. Ein dunkeläutiger Schnauzbartträger starrt durchs Wohnzimmerfenster auf Doug und seine Frau (Jenna Fischer, die hier mehr oder weniger ihre Rolle als durch und durch lauwarmes Objekt der Begierde aus The Office weiterführt). Diese Frau wiederum könnte, wenn es Doug die angestrebte Beförderung nicht erreicht, bald mehr verdienen als er selbst. Die Kassierer, die er zu beaufsichtigen hat, haben ebenfalls dunkle Hautbarben und an ihrem Arbeitsplatz haben sie eindeutig mehr kulturelles Kapital als Doug. Doug fährt mit öffentlichen Verkehrsmitteln zur Arbeit. Auch hier gibt der weiße Heteromann nicht mehr den Ton an, eigentlich müsste er Auto fahren, doch als er einmal in ein Auto einsteigt, gehört das seinem kanadischen Kollegen und Kontrahenten Richard (wieder einmal großartig: John C. Reilly als White-Collar-Aspirant wider Willen). Und der hat es noch viel schwerer als Doug. Prekäres Mittelklasseleben und ethnische Spannungen als awkward comedy.
Für einen wie Doug müssen die Transformationen des Amerikas der Gegenwart wie ein langsames aber nicht mehr aufzuhaltendes fade to black erscheinen. Und Doug weiß, dass er kein early adapter ist. Der einzige Ausweg ist der gesellschaftliche und ökonomische Aufstieg. Ein eigenes Haus würde räumliche Distanz schaffen. Das Board of Directors der Supermarktkette ist und bleibt auch noch bis auf weiteres weiß. Ein Refugium für einen, der das offene Visier scheut eher denn ein Karriereziel für das Subjekt des Neorealismus, das Doug natürlich trotzdem irgendwie ist. Toll, wie der Film es schafft, Doug in seinem Bestreben weder zu affirmieren, noch zu diskreditieren. Der macht einfach nur das, was ein Mann mit seiner Hautfarbe und seiner Frisur in seiner Situation zu tun hat.
Ich kann mich nicht an viele Filme der jüngeren Vergangenheit erinnern, die sich auf so interessante Art und Weise wie The Promotion - nominell nur eine unter vielen Komödien irgendwo zwischen Indie und Mainstream - auf die vor allem multiethnischen Realitäten Amerikas eingelassen hätte. In einer großartigen Szene hält Doug eine Rede in einem afroamerikanisch geprägten Community Center, die zu einer komplexen Verhandlung soziokultureller Selbstverständnisse wird. Seine genau klakulierten Scherze funktionieren zwar nicht wirklich, sie zeigen aber genau so viel guten Willen, wie nötig ist, um das angespannte Verhältnis zwischen Community und Supermarkt (nicht: zwischen Supermarkt und Kundschaft) ein wenig zu entspannen. Dann allerdings kommt Richard und erzählt etwas von einem "black appel"... So lange der US-Komödie Szenen wie diese im Community Center gelingen, wird sie die relevanteste Spielart des nordamerikanischen Kinos bleiben.
Labels:
Comedy,
Indiewood,
John C. Reilly,
Komödie,
Steve Conrad,
The Promotion
Wednesday, December 02, 2009
Historias extraordinarias, Mariano Llinás, Argentinien
Hat man sich aus irgendeinem Grund in den Kopf gesetzt, das aktuelle Weltkino auch in seinen anstrengenderen, abstruseren Varianten zu erschließen, dann muss man den Filmen oft sehr weit entgegen kommen. Zumindest geht mir das so im Fall von Werken wie Historias extraordinarias. Nach einer halben Stunde hatte ich beschlossen, nicht das Kino zu verlassen, sondern den Film interessant zu finden. Damit das auch so bleibt, musste ich mich selbst im weiteren immer mal wieder an diesen initialen Beschluss erinnern. Und wie kann ich den Beschluss rechtfertigen? Unter anderem rückwirkend mit einem Text wie diesem hier.
Historias extraordinarias wagt viel und mehr als alles andere hat mich Llinás' Wagemut im Kino gehalten. Dass der Film aber tatsächlich auch ästhetisch so quer zum restlichen argentinischen Kino liegt, wie er es in produktionstechnischer Hinsicht tut, glaube ich nicht so ganz. Es tauchen doch immer wieder Bilder auf, die man aus konventionalisiertem Festivalkono zu kennen glaubt (gleich das erste ist so eines, die Handkamera nah am Mann auf der staubigen Landstraße) und gegen Ende wird es auf nicht immer interessante und sicher nicht originelle Art und Weise opak. Auf den ersten Blick näher liegende Vergleiche in interessantere Richtungen (Rivette, Raoul Ruiz, Lav Diaz) kann der Film dagegen als Ganzer doch nicht wirklich rechfertigen.
Ansonste: wo anfangen? Drei Geschichten erzählt der Film parallel. Sie ähneln sich in struktureller Hinsicht, überschneiden sich aber nie. Es geht um drei Männer, über deren Vergangenheit so gut wie nichts bekannt gemacht wird (auf den Voice-over-Kommentar werde ich noch zu sprechen kommen, muss tatsächlich so beschrieben werden: er gewährt Bekanntmachungen), die keine Namen haben, sondern einfach nur X, H und Z genannt werden. Alle drei Männer werden in ein ihnen unbekanntes Terrain versetzt und mit einer mehr oder weniger sonderbaren Aufgabe / Situation konfrontiert. Sie lassen sich, im Großen und Ganzen, auf diese neuen Situationen ein, lernen andere Figuren kennen (hauptsächlich Männer, Frauen spielen kaum - und wenn doch, dann erst in der zweiten Filmhälfte - eine Rolle), ihre wenig stringenten Entdeckungsreisen führen in die Vergangenheit, auf andere Kontinente, in verschiedene filmästhetische Modi. Narrative Tonlage ist die Mystery-Erzählung, zu Beginn allerdings mehr als gegen Ende und zwar nicht, weil die Geheimnisse aufgeklärt würden, sondern, weil sie von den Protagonisten mehr oder weniger bewusst fallen gelassen werden (wiederum: das sind Verschiebungen, die erst nach Rivette schmecken, aber letztlich mindestens auch arthausig-inkonsequent sind).
Der wichtigste Aspekt des Films ist der fast allgegenwärtige Voice-Over Kommentar. Vorgetragen wird er in ironischem Tonfall von mehreren Männerstimmen (und einmal von einer Frauenstimme). Die ersten asugedehnte Szene des Films zeigt eine mysteriöse Begegnung zwischen vier Männern und zwei Fahrzeugen. Es gibt einen Streit, es fallen Schüsse, am Ende bleibt einer tot liegen. Gefilmt in einer starren Totalen und wie alles andere mit einer grobpixeligen Digicam. Der Erzähler verdoppelt die Bewegungen im Bild, interpretiert sie vorsichtig, gibt einige Zusatzinformationen, die dem Pixelbrei alleine nicht zu entnehmen wären. Diese frühe Szene ist die einzige, in dem der Film sich an einer konventionellen "visuellen" Erzählweise versucht - und dabei sein Scheitern ausstellt. Die Bilder möchten den Worten in dieser Szene eine gleichgeordnete narrative Instanz sein, aber sie scheitern an diesem Anspruch. (vielleicht auch eine Blow-up-Inversion: die defizitären Bilder sind kein Problem der Epistemie, sondern nur noch eins der Narratologie.) Im Folgenden sind die Bilder dem Wort - der Erzählstimme - konsequent untergeordnet. Zu sehen sind meist banale Folgen von Großaufnahmen der jeweiligen Hauptfiguren, die sowohl in räumlicher als auch in zeitlicher Hinsicht unterdeterminiert bleiben. Stimmungsbilder, die der Handlung nie wider- und meistens ziemlich genau entsprechen, denen jedoch stets etwas Beliebiges eignet. Nie im Leben könnten diese Bilder - und die wenigen im Bild verankerten Dialoge - die Geschichte alleine erzählen. Die (ironisch-spielerisch-distanzierende) Erzählstimme kontrolliert den Film vollständig und zwar auch dann, wenn sie für wenige, herausgehobene Momente aussetzt und Bilder und diegetische Tonspur einzelne Plotpoints machen dürfen. Diese sind ausgestellte Unterbrechungen, unausgesprochene Aufforderungen an die Diegese, ihren Teil zum Film beizutragen nach den Spielregeln des Voice-overs.
Das filmische Bild enthält in Historias extraordinarias gerade keinen indexikalisch-ikonischen Überschuss gegenüber den rein symbolischen Zeichen des Voice-overs. Ganz im Gegenteil sind die Bilder immer schon defizitär in Bezug auf das Wort. Das Bild kann dem Wort nicht widersprechen, es kann höchstens weniger als dieses sagen, im negativ Unbestimmten da verharren, wo das Wort einerseits präzisiert, andererseits einen Konnotationsraum öffnet (natürlich ist das ein poetisches Argument, kein onthologisches).
Wozu dann die Bilder? In mancher Hinsicht (aber sicher nicht in jeder) scheinen sie sich zur Erzählung so zu verhalten, wie die Bilder eines Musikvideos zum jeweiligen Musikstück. Der Vergleich liegt schon deshalb nahe, weil Llinás immer wieder Techniken einsetzt, die eindeutig aus dem Musikvideo stammen: Splitscreen-Montagesequenzen, in denen eine imaginäre Kamera über mehrere Bewegungsbildpanel schwebt (wie man es auch in neueren Ang-Lee-Filmen gelegentlich sieht), Fotomontagen etc. Vor allem ist die Montage keine analytische. Die Analyse bleibt außerhalb der Bilder. Wie sich die einzelnen Einstellungen einer Sequenz (von Ausnahmen abgesehen und Ausnahmen gibt es in einem über vier Stunden langen Film fast zwangsläufig viele) zueinander in zeitlicher, räumlicher oder narrativer Hinsicht verhalten, bleibt mehr oder weniger irrelevant (bzw: sie verhalten sich eben gar nicht). Eine akkumulative Montage, unterstützt von der Filmmusik: Die ist ganz auf der Seite der antidramatischen Bilder, nicht auf der des dramatischen Voice-Over und besteht meist aus simplen Ambient-Klängen, die sich einander im gefühlten Halbstundentakt ablösen.
Historias extraordinarias wagt viel und mehr als alles andere hat mich Llinás' Wagemut im Kino gehalten. Dass der Film aber tatsächlich auch ästhetisch so quer zum restlichen argentinischen Kino liegt, wie er es in produktionstechnischer Hinsicht tut, glaube ich nicht so ganz. Es tauchen doch immer wieder Bilder auf, die man aus konventionalisiertem Festivalkono zu kennen glaubt (gleich das erste ist so eines, die Handkamera nah am Mann auf der staubigen Landstraße) und gegen Ende wird es auf nicht immer interessante und sicher nicht originelle Art und Weise opak. Auf den ersten Blick näher liegende Vergleiche in interessantere Richtungen (Rivette, Raoul Ruiz, Lav Diaz) kann der Film dagegen als Ganzer doch nicht wirklich rechfertigen.
Ansonste: wo anfangen? Drei Geschichten erzählt der Film parallel. Sie ähneln sich in struktureller Hinsicht, überschneiden sich aber nie. Es geht um drei Männer, über deren Vergangenheit so gut wie nichts bekannt gemacht wird (auf den Voice-over-Kommentar werde ich noch zu sprechen kommen, muss tatsächlich so beschrieben werden: er gewährt Bekanntmachungen), die keine Namen haben, sondern einfach nur X, H und Z genannt werden. Alle drei Männer werden in ein ihnen unbekanntes Terrain versetzt und mit einer mehr oder weniger sonderbaren Aufgabe / Situation konfrontiert. Sie lassen sich, im Großen und Ganzen, auf diese neuen Situationen ein, lernen andere Figuren kennen (hauptsächlich Männer, Frauen spielen kaum - und wenn doch, dann erst in der zweiten Filmhälfte - eine Rolle), ihre wenig stringenten Entdeckungsreisen führen in die Vergangenheit, auf andere Kontinente, in verschiedene filmästhetische Modi. Narrative Tonlage ist die Mystery-Erzählung, zu Beginn allerdings mehr als gegen Ende und zwar nicht, weil die Geheimnisse aufgeklärt würden, sondern, weil sie von den Protagonisten mehr oder weniger bewusst fallen gelassen werden (wiederum: das sind Verschiebungen, die erst nach Rivette schmecken, aber letztlich mindestens auch arthausig-inkonsequent sind).
Der wichtigste Aspekt des Films ist der fast allgegenwärtige Voice-Over Kommentar. Vorgetragen wird er in ironischem Tonfall von mehreren Männerstimmen (und einmal von einer Frauenstimme). Die ersten asugedehnte Szene des Films zeigt eine mysteriöse Begegnung zwischen vier Männern und zwei Fahrzeugen. Es gibt einen Streit, es fallen Schüsse, am Ende bleibt einer tot liegen. Gefilmt in einer starren Totalen und wie alles andere mit einer grobpixeligen Digicam. Der Erzähler verdoppelt die Bewegungen im Bild, interpretiert sie vorsichtig, gibt einige Zusatzinformationen, die dem Pixelbrei alleine nicht zu entnehmen wären. Diese frühe Szene ist die einzige, in dem der Film sich an einer konventionellen "visuellen" Erzählweise versucht - und dabei sein Scheitern ausstellt. Die Bilder möchten den Worten in dieser Szene eine gleichgeordnete narrative Instanz sein, aber sie scheitern an diesem Anspruch. (vielleicht auch eine Blow-up-Inversion: die defizitären Bilder sind kein Problem der Epistemie, sondern nur noch eins der Narratologie.) Im Folgenden sind die Bilder dem Wort - der Erzählstimme - konsequent untergeordnet. Zu sehen sind meist banale Folgen von Großaufnahmen der jeweiligen Hauptfiguren, die sowohl in räumlicher als auch in zeitlicher Hinsicht unterdeterminiert bleiben. Stimmungsbilder, die der Handlung nie wider- und meistens ziemlich genau entsprechen, denen jedoch stets etwas Beliebiges eignet. Nie im Leben könnten diese Bilder - und die wenigen im Bild verankerten Dialoge - die Geschichte alleine erzählen. Die (ironisch-spielerisch-distanzierende) Erzählstimme kontrolliert den Film vollständig und zwar auch dann, wenn sie für wenige, herausgehobene Momente aussetzt und Bilder und diegetische Tonspur einzelne Plotpoints machen dürfen. Diese sind ausgestellte Unterbrechungen, unausgesprochene Aufforderungen an die Diegese, ihren Teil zum Film beizutragen nach den Spielregeln des Voice-overs.
Das filmische Bild enthält in Historias extraordinarias gerade keinen indexikalisch-ikonischen Überschuss gegenüber den rein symbolischen Zeichen des Voice-overs. Ganz im Gegenteil sind die Bilder immer schon defizitär in Bezug auf das Wort. Das Bild kann dem Wort nicht widersprechen, es kann höchstens weniger als dieses sagen, im negativ Unbestimmten da verharren, wo das Wort einerseits präzisiert, andererseits einen Konnotationsraum öffnet (natürlich ist das ein poetisches Argument, kein onthologisches).
Wozu dann die Bilder? In mancher Hinsicht (aber sicher nicht in jeder) scheinen sie sich zur Erzählung so zu verhalten, wie die Bilder eines Musikvideos zum jeweiligen Musikstück. Der Vergleich liegt schon deshalb nahe, weil Llinás immer wieder Techniken einsetzt, die eindeutig aus dem Musikvideo stammen: Splitscreen-Montagesequenzen, in denen eine imaginäre Kamera über mehrere Bewegungsbildpanel schwebt (wie man es auch in neueren Ang-Lee-Filmen gelegentlich sieht), Fotomontagen etc. Vor allem ist die Montage keine analytische. Die Analyse bleibt außerhalb der Bilder. Wie sich die einzelnen Einstellungen einer Sequenz (von Ausnahmen abgesehen und Ausnahmen gibt es in einem über vier Stunden langen Film fast zwangsläufig viele) zueinander in zeitlicher, räumlicher oder narrativer Hinsicht verhalten, bleibt mehr oder weniger irrelevant (bzw: sie verhalten sich eben gar nicht). Eine akkumulative Montage, unterstützt von der Filmmusik: Die ist ganz auf der Seite der antidramatischen Bilder, nicht auf der des dramatischen Voice-Over und besteht meist aus simplen Ambient-Klängen, die sich einander im gefühlten Halbstundentakt ablösen.
Tuesday, December 01, 2009
Goodbye Solo, Ramin Bahrani, 2008
Erst nicht ganz sicher war ich mir bei Goodbye Solo, Ramin Bahranis drittem Spielfilm. Zunächst kam es mir so vor, als machte sich Bahrani hier mit großen Schritten auf in Richtung Arthausmainstream. Nicht, weil zum ersten Mal in Bahranis Filmografie das weiße Amerika eine wichtige Rolle spielt; ganz im Gegenteil, Red Wests William hat mir von Anfang an eingeleuchtet als Ex-Harleyfahrer mit irgendwie eher jämmerlicher Tätowierung - die richtige Mischung aus Western-Pose und fast schon ausgestelltem White-Trash-Klischee, einen pickeligen Enkel an der Kinokasse gibt es auch noch, aber das war's dann auch schon. Das weiße Amerika geistert ein wenig durchs Bahrani-Kino, aber es bleibt auf Abstand und nähert sich vorsichtshalber in seiner provinziellsten Ausprägung. Vielleicht war das Problem eher, dass ich kurz zuvor Kelly Reichardts Wendy and Lucy gesehen hatte; und dass dort Michelle Williams doch etwas zu adrett-ätherisch auf den Spuren Umberto Ds durch Americana wandelt (dazu vielleicht demnächst mehr). Fast könnte man meinen, dass Bahrani die andere Hälfte dieses (natürlich: großartigen) De Sica-Films einlösen möchte: nicht den verlorenen Hund, dafür aber den (ein wenig grumpy aber liebenswerten) alten Mann.
Mit ein wenig Abstand wurde mir dann aber doch klar, dass Bahran auch diesmal wieder fast alles richtig gemacht hat. Zunächst ist der Film, an dem der Regisseur sich abarbeitet, selbstverständlich nicht Umberto D, sondern Kiarostamis Taste of Cherry, aber darauf kommt es nicht an. Goodbye Solo ist tatsächlich nicht mehr von derselben Dringlichkeit geprägt wie die beiden Vorgänger, aber das liegt lediglich daran, dass er einen systematischen Schritt weiter geht.
Sowohl in Man Push Cart als auch in Chop Shop versuchten die jeweiligen Protagonisten, die Besitzrechte an einem Fahrzeug, das gleichzeitig für Mobilität und für den Lebensunterhalt steht, zu erwerben. Solo, der Hauptfigur im Nachfolger, ist dies bereits gelungen, er ist Taxifahrer und Besitzer seines Arbeitsgefährts. Die materiellen Grundlagen für ein erfolgreiches Leben im us-amerikanischen System (eben diese: Mobilität und Geld) sind vorhanden, jetzt tauchen andere Probleme auf und wenn die Ästhetik sich bei dieser Gelegenheit ein wenig verbürgerlicht, ist das nur konsequent. Solo hat eine Familie, ein Network, eine Welt gefunden, in der er eigentlich glücklich sein und sich im weiteren lediglich um mehr von allem bemühen sollte, wenn man den Versprechen des Kapitalismus glauben könnte. Aber das kann man natürlich nicht. Dass und wie Solo doch nicht glücklich ist, verhandelt der Film - und er hält sich dabei genauso fern von den falschen Bildern wie die beiden ersten Werke.
Toll sind unter anderem wieder die kleinen Zwischenszenen: Solo während den Taxifahrten, frontal durch die Scheibe gefilmt, hinter ihm schon ein wenig in der Unschärfe die Kundschaft, kleine Geschichten deuten sich an, Alternativgeschichten, die der Film nicht verfolgt, aber verfolgen könnte.
Absolut souverän sieht dieser Film aus, deutlich ruhiger als der handkamerageprägte Chop Shop, wieder näher an Man Push Cart, aber ohne dessen manchmal doch etwas prätentiöse Teleobjektiv-Ästhetik. Eine Form, die sich tendenziell unsichtbar macht, außer in wenigen, herausgehobenen Einstellungen: Einmal löst sich Solos Silhouette, als er allein eine Straße entlang läuft, sonderbar ab vom urbanen Hintergrund: das Bild zeigt keinen materiellen Ausschluss aus einer Gemeinschaft, sondern einen Selbstausschluss als Ergebnis einer reflexiven Geste, ein Wegdriften von der Gemeinschaft auf der Suche nach Freiheit. Freiheit von den kleinkriminellen Netzwerken, in die Solo peripher eingebunden ist, Freiheit von den Familienbanden, in die er eingeheiratet hat. Die Idee eines alten, vergangenen, nicht die Realität des gegenwärtigen, neuen weißen Amerikas ist es dann, die Solos Freiheitssuche antreibt. Auch zu dieser Idee verhält sich Bahrani natürlich nicht einfach affirmativ, sie bleibt weit weg und vage, Solo weiß genau, dass er sein Glück anderswo finden muss. Willie Nelson läuft nur einmal kurz im Radio, Gangster Rap gibt's an jeder Tankstelle.
Erst recht großartig dann kurz vor Schluss die schwebende Kamera, die Freiheit kann im Leben nicht realisiert werden und im Film auch immer nur für einen Moment - schon im zweiten Moment würde sie zum filmsprachlichen Klischee werden.
Mit ein wenig Abstand wurde mir dann aber doch klar, dass Bahran auch diesmal wieder fast alles richtig gemacht hat. Zunächst ist der Film, an dem der Regisseur sich abarbeitet, selbstverständlich nicht Umberto D, sondern Kiarostamis Taste of Cherry, aber darauf kommt es nicht an. Goodbye Solo ist tatsächlich nicht mehr von derselben Dringlichkeit geprägt wie die beiden Vorgänger, aber das liegt lediglich daran, dass er einen systematischen Schritt weiter geht.
Sowohl in Man Push Cart als auch in Chop Shop versuchten die jeweiligen Protagonisten, die Besitzrechte an einem Fahrzeug, das gleichzeitig für Mobilität und für den Lebensunterhalt steht, zu erwerben. Solo, der Hauptfigur im Nachfolger, ist dies bereits gelungen, er ist Taxifahrer und Besitzer seines Arbeitsgefährts. Die materiellen Grundlagen für ein erfolgreiches Leben im us-amerikanischen System (eben diese: Mobilität und Geld) sind vorhanden, jetzt tauchen andere Probleme auf und wenn die Ästhetik sich bei dieser Gelegenheit ein wenig verbürgerlicht, ist das nur konsequent. Solo hat eine Familie, ein Network, eine Welt gefunden, in der er eigentlich glücklich sein und sich im weiteren lediglich um mehr von allem bemühen sollte, wenn man den Versprechen des Kapitalismus glauben könnte. Aber das kann man natürlich nicht. Dass und wie Solo doch nicht glücklich ist, verhandelt der Film - und er hält sich dabei genauso fern von den falschen Bildern wie die beiden ersten Werke.
Toll sind unter anderem wieder die kleinen Zwischenszenen: Solo während den Taxifahrten, frontal durch die Scheibe gefilmt, hinter ihm schon ein wenig in der Unschärfe die Kundschaft, kleine Geschichten deuten sich an, Alternativgeschichten, die der Film nicht verfolgt, aber verfolgen könnte.
Absolut souverän sieht dieser Film aus, deutlich ruhiger als der handkamerageprägte Chop Shop, wieder näher an Man Push Cart, aber ohne dessen manchmal doch etwas prätentiöse Teleobjektiv-Ästhetik. Eine Form, die sich tendenziell unsichtbar macht, außer in wenigen, herausgehobenen Einstellungen: Einmal löst sich Solos Silhouette, als er allein eine Straße entlang läuft, sonderbar ab vom urbanen Hintergrund: das Bild zeigt keinen materiellen Ausschluss aus einer Gemeinschaft, sondern einen Selbstausschluss als Ergebnis einer reflexiven Geste, ein Wegdriften von der Gemeinschaft auf der Suche nach Freiheit. Freiheit von den kleinkriminellen Netzwerken, in die Solo peripher eingebunden ist, Freiheit von den Familienbanden, in die er eingeheiratet hat. Die Idee eines alten, vergangenen, nicht die Realität des gegenwärtigen, neuen weißen Amerikas ist es dann, die Solos Freiheitssuche antreibt. Auch zu dieser Idee verhält sich Bahrani natürlich nicht einfach affirmativ, sie bleibt weit weg und vage, Solo weiß genau, dass er sein Glück anderswo finden muss. Willie Nelson läuft nur einmal kurz im Radio, Gangster Rap gibt's an jeder Tankstelle.
Erst recht großartig dann kurz vor Schluss die schwebende Kamera, die Freiheit kann im Leben nicht realisiert werden und im Film auch immer nur für einen Moment - schon im zweiten Moment würde sie zum filmsprachlichen Klischee werden.
Labels:
Bahrani,
Goodbye Solo,
Migration,
Sozialdrama,
USA
Tuesday, November 24, 2009
Bled Number One, Rabah Ameur-Zaïmeche, 2006
Fast noch besser als sein noch etwas ungehobeltes, aber sehr bemerkenswertes Debut Wesh Wesh hat mir dieser Nachfolger gefallen. Die Hauptfigur Kamel, verkörpert vom Regisseur selbst, verbindet die beiden Filme, sonst eher wenig. Am Ende von Wesh Wesh musste man annehmen, dass Kamel von der Polizei erschossen wurde, ich bin mir nicht ganz sicher, ob die Existenz des zweiten Films diese Lesart völlig verunmöglicht. Vielleicht ist Bled Number One eher eine Fantasie darüber, was passiert wäre, wenn Kamel die Schüsse der Polizisten überlebt hätte und anschließend abgeschoben worden wäre als eine klassische Fortsetzung. Das würde einersets erklären, warum Kamel sich so ironisch-distanziert, fast schlafwandlerisch durch dieses Algerien bewegt (kein Protagonist im engeren Sinne ist dieser Kamel, eher die Verkörperung einer Haltung zu den Bildern, die der Film gibt; Kamel ist nicht ganz Teil der Welt, durch die er sich bewegt und zwar nicht nur, weil er in sozialer Hinsicht nicht mehr in sie passt, er scheint neben dieser sozialen auch eine ontologische Differenz zu figurieren), andererseits wäre es eine Rechtfertigung (wenn es denn eine solche bräuchte) für die vielen elegischen Stillstellungen, die immer wieder in den Film einbrechen - insbesondere die wundervollen Auftritte Rodolphe Burgers als einsamer Gitarrist.
Wesh Wesh zeichnet sich zwar ebenfalls durch kleine, genaue Beobachtungen der Mikrostruktur des Banlieus aus, Beobachtungen, die nicht auf ihre Plotfunktion reduziert werden können und vielleicht tatsächlich interessanter sind als der im engeren Sinne politische Gestus des Films, aber als Ganzer blieb der Film doch dem Bewegungsbild verhaftet. Bled Number One dagegen zerfällt nicht nur auf der Makroebene in mehrere Erzählungen: Kamels Ankunft, die Attacke junger Islamisten auf Dominospieler und Biertrinker, der Leidensweg Louisas, einer Frau, die von ihrem Mann vor die Tür gesetzt wurde und jetzt um ihre Kinder kämpft. Auch die einzelnen Szenen sind nur selten zielstrebig, plotorientiert aufgelöst. Sehr oft zeigt Ameur-Zaïmeche soziale Situationen in der Totale, lässt sie sich gemäß ihrer Eigendynamik entwickeln: die Schlachtung eines Ochsen, der Tanz der Männer, ein Konflikt in der Bar, die Ankunft Louisas in der Psychiatrie usw. Manchmal gibt es auch sonderbare Aufnahmen mit langer Brennweite, die man eher aus Paranoiafilmen der 70er kennt denn aus dem neorealistisch geprägten world cinema unserer Tage. Die Tonspur besteht oft nur aus einer höchstens halb differenzierbaren Geräuschkulisse, die Tatsache, dass und die Art, wie geredet wird, ist nicht selten wichtiger als der Inhalt der Gespräche.
Also: ein sonderbarer, faszinierender Film, dessen Ästhetik einige Rätsel aufgibt, die ich nach der ersten Sichtung noch nicht so recht zu lösen vermag. Bei alledem ist Bled Number One stets sehr genau in seiner Beschreibung von Macht- und Sozialstrukturen. Das Dorf, in dem Kamel landet, wehrt sich nach Außen gegen die Islamisten, die die Macht zu übernehmen drohen, die archaisch-patriarchalen Strukturen im Inneren werden dennoch nicht hinterfragt und auf Solidarität darf Louisa erst hoffen, wenn sie ganz unten in der sozialen Hierarchie angekommen ist. Kurz davor die eine utopische Szene, die schönste des Films vielleicht: Kamel, Louisa und zwei weitere Frauen am Strand, zwischen zwei riesigen, rostüberzogenen, ausrangierten Frachtschiffen (die Dinosaurier der Schwerindustrie der Vergangenheit, irgendwie scheint dieses wahnwitzige Bild auch etwas mit den in diesem Film allgegenwärtigen Bild von Männern zu tun zu haben, die untätig vor ihren Häusern sitzen und dabei fast zwangsläufig auf dumme Gedanken kommen - oder versuchen, das wenige, was ihnen geblieben ist, trotzig und traditionsbewusst zu verteidigen). Kamels Blick auf die Frauen, der Blick der Frauen auf Kamel: die nassen Kleider kleben an den Körpern, deren Umrisse sich zum ersten und einzigen Mal im Film unter ihnen abzeichnen dürfen.
Wesh Wesh zeichnet sich zwar ebenfalls durch kleine, genaue Beobachtungen der Mikrostruktur des Banlieus aus, Beobachtungen, die nicht auf ihre Plotfunktion reduziert werden können und vielleicht tatsächlich interessanter sind als der im engeren Sinne politische Gestus des Films, aber als Ganzer blieb der Film doch dem Bewegungsbild verhaftet. Bled Number One dagegen zerfällt nicht nur auf der Makroebene in mehrere Erzählungen: Kamels Ankunft, die Attacke junger Islamisten auf Dominospieler und Biertrinker, der Leidensweg Louisas, einer Frau, die von ihrem Mann vor die Tür gesetzt wurde und jetzt um ihre Kinder kämpft. Auch die einzelnen Szenen sind nur selten zielstrebig, plotorientiert aufgelöst. Sehr oft zeigt Ameur-Zaïmeche soziale Situationen in der Totale, lässt sie sich gemäß ihrer Eigendynamik entwickeln: die Schlachtung eines Ochsen, der Tanz der Männer, ein Konflikt in der Bar, die Ankunft Louisas in der Psychiatrie usw. Manchmal gibt es auch sonderbare Aufnahmen mit langer Brennweite, die man eher aus Paranoiafilmen der 70er kennt denn aus dem neorealistisch geprägten world cinema unserer Tage. Die Tonspur besteht oft nur aus einer höchstens halb differenzierbaren Geräuschkulisse, die Tatsache, dass und die Art, wie geredet wird, ist nicht selten wichtiger als der Inhalt der Gespräche.
Also: ein sonderbarer, faszinierender Film, dessen Ästhetik einige Rätsel aufgibt, die ich nach der ersten Sichtung noch nicht so recht zu lösen vermag. Bei alledem ist Bled Number One stets sehr genau in seiner Beschreibung von Macht- und Sozialstrukturen. Das Dorf, in dem Kamel landet, wehrt sich nach Außen gegen die Islamisten, die die Macht zu übernehmen drohen, die archaisch-patriarchalen Strukturen im Inneren werden dennoch nicht hinterfragt und auf Solidarität darf Louisa erst hoffen, wenn sie ganz unten in der sozialen Hierarchie angekommen ist. Kurz davor die eine utopische Szene, die schönste des Films vielleicht: Kamel, Louisa und zwei weitere Frauen am Strand, zwischen zwei riesigen, rostüberzogenen, ausrangierten Frachtschiffen (die Dinosaurier der Schwerindustrie der Vergangenheit, irgendwie scheint dieses wahnwitzige Bild auch etwas mit den in diesem Film allgegenwärtigen Bild von Männern zu tun zu haben, die untätig vor ihren Häusern sitzen und dabei fast zwangsläufig auf dumme Gedanken kommen - oder versuchen, das wenige, was ihnen geblieben ist, trotzig und traditionsbewusst zu verteidigen). Kamels Blick auf die Frauen, der Blick der Frauen auf Kamel: die nassen Kleider kleben an den Körpern, deren Umrisse sich zum ersten und einzigen Mal im Film unter ihnen abzeichnen dürfen.
Friday, November 20, 2009
Tamnaan somdet phra Naresuan maharat: Phaak prakaat itsaraphaap / The Legend of Naresuan: Part 2, Chatrichalerm Yukol, 2007
Chatrichalerm Yukol hat seit der Jahrtausendwende seine Karriere grundlegend neu justiert und drei große, für thailändische Verhältnisse extrem hoch budgetierte Historienfilme gedreht: zuerst Suriyotai, dessen internationale Version von niemand geringerem als Francis Ford Coppola produziert wurde, danach zwei Teile einer geplanten Trilogie über das Leben des legendären Königs Naresuan, der im 16. Jarhundert Siams Unabhängigkeit von Burma erstritt. Ich kenne nur deren zweiten Teil, Yukols neuesten Film, der auch als alleinstehendes Werk sehr gut rezipierbar ist. Der dritte Teil der Trilogie ist seit längerem angekündigt, scheint aber derzeit auf Eis zu liegen, eventuell, weil Yukol ernsthaft erkrankt ist. Dieses Youtube-Video scheint etwas in diese Richtung nahe zu legen. Leider beschäftigen sich die zugehörigen Kommentare mehr mit der Moderatorin Aff als mit dem Grund ihres Besuchs. Ich wünsche jedenfalls dem - Apichatpong hin, Weerasethakul her - nach wie vor wichtigsten Regisseur seines Landes gute Genesung.
Wenn man ältere Filme des Regisseurs gesehen hat, muss man zunächst, was diese Karrierewendung angeht, mindestens skeptisch sein. Deren prekärer Sozialrealismus und subversiv-energische Genreaneignungen weichen nationalistisch gefärbtem Ausstattungskino. Eine ähnliche Karriereentwicklung musste man zuletzt bei einigen Regisseuren der chinesischen fünften Generation beobachten und selbst Jia Zhang-ke und der Großmeister Hou Hsiao Hsien arbeiten derzeit an entsprechenden Projekten.
Freilich ist dieser erste Yukol-Historienfilm, den ich gesehen habe, doch einigermaßen weit entfernt von den zur Zeit nicht selten mehr oder weniger offen faschistoid daherkommenden modernen Wuxias (ganz abgesehen davon ist der Film schon deshalb von besonderem Interesse, weil die Welt, die sie entwerfen, eine ganz andere ist als die der chinesischen und japanischen Historienfilme; ein wenig kann man sich diese Welt der südostasiatischen Königsreiche über Wikipedia erschließen, ein guter Ausgangspunkt ist der Eintrag zu Ayutthaya).
Zwar bleibt Naresuan 2 in den Grenzen des Genres: Bilder aus der Perspektive der Macht, Geschichte aus der Perspektive der Nation. Imperialer Prunk in Aufsicht, fließende Kamerabewegungen, dem Herrscher gehört die Großaufnahme, seine Untergebenen fasst er in die Totale. Shakespearesque Königsdramen und das Fußvolk, das sie blutig ausagiert. Allerdings scheint mir in Yukols Film das Verhältnis der Herrscher zu ihren Untertanen doch ein wenig anders beschaffen zu sein als in den chinesischen Filmen (und insgesamt nehme ich dem Film eher als seinen eleganteren Pendants ab, dass in ihm tatsächlich eine Gesellschaft über ihre Geschichte nachdenkt).
Die Unterschiede sind (wenn ich sie mir nicht ohnehin nur einbilde) nicht in jeder Hinsicht offensichtlich und sie sind schwer zu beschreiben. In den chinesischen Filmen ist der Herrscher ein Künstler, der sein Volk als Ornament arrangiert und der Regisseur hilft ihm dabei. Bei Yukol wirkt das einerseits organischer, andererseits handwerklicher, brachialer. Zunächst: keine aufwändigen Martial-Arts-Arrangements, statt dessen schlagen die Krieger humorlos zu, in der einen Hand das Schwert, in der anderen die Streitaxt. Vor allem aber gibt es Momente, in denen der Film gegen seine Struktur eine Kontinuität zwischen seinen historischen Helden und ihrer namenlosen Gefolgschaft aufscheinen lässt. Wenn die Kamera vor den Schlachten über die Reihen der Soldaten schwenkt, sucht sie weniger die mechanistische Gesamtheit, die militärischer Drill und Uniformierung als serielles Moment hervorbringen, sondern es geht um eine organische Gesamtheit, die nicht nur der bloßen funktionalisierbaren Variation, sondern qualitativer Unterschiede bedarf. Vielleicht: im europäischen Historienfilm löst sich das Ornament im Moment der Schlacht, im Angesicht des Todes auf und kritisiert dadurch das Ornament; das neue Wuxia strebt danach, die Ordnung (als visuelle) in den Schlacht, in den Tod zu verlängern und setzt das Ornament als transzendentale Instanz; Yukols Film bleibt als Ganzes nicht vor dem Ornamentalen, aber vor dem totalitären, vollendeten Ornament.
Yukols Autorenhandschrift ist weitgehend unsichtbar und prägt sich eher in das ein, was der Film nicht macht. Zum Beispiel verzichtet Naresuan 2 auf Triumphalismen, sein Pathos ist in den entscheidenden Momenten melancholisch grundiert. Freilich habe ich in zweieinhalb Stunden Laufzeit nur eine einzige "echte" Yukol-Szene ausmachen können: In der besucht Naresuan, Haupt- und Identifikationsfigur der geplanten Trilogie, anonym seine Untertanen. Wenn die Kamera für einmal nicht imperial motiviert auf das Volk blickt, verschwindet der Piktorialismus zwar nicht, aber er wird als eine Konvention sichtbar, die lügt und als eine Lüge, die Naresuan und Yukol eigentlich aufdecken sollten und irgendwie auch wollen. Allein, man lässt sie nicht und nach einer anekdotischen Nacht bei einer schrulligen Alten, die ihren Herrscher nicht erkennt, macht man sich wieder auf in Richtung Geschichtsbuch.
Wenn man ältere Filme des Regisseurs gesehen hat, muss man zunächst, was diese Karrierewendung angeht, mindestens skeptisch sein. Deren prekärer Sozialrealismus und subversiv-energische Genreaneignungen weichen nationalistisch gefärbtem Ausstattungskino. Eine ähnliche Karriereentwicklung musste man zuletzt bei einigen Regisseuren der chinesischen fünften Generation beobachten und selbst Jia Zhang-ke und der Großmeister Hou Hsiao Hsien arbeiten derzeit an entsprechenden Projekten.
Freilich ist dieser erste Yukol-Historienfilm, den ich gesehen habe, doch einigermaßen weit entfernt von den zur Zeit nicht selten mehr oder weniger offen faschistoid daherkommenden modernen Wuxias (ganz abgesehen davon ist der Film schon deshalb von besonderem Interesse, weil die Welt, die sie entwerfen, eine ganz andere ist als die der chinesischen und japanischen Historienfilme; ein wenig kann man sich diese Welt der südostasiatischen Königsreiche über Wikipedia erschließen, ein guter Ausgangspunkt ist der Eintrag zu Ayutthaya).
Zwar bleibt Naresuan 2 in den Grenzen des Genres: Bilder aus der Perspektive der Macht, Geschichte aus der Perspektive der Nation. Imperialer Prunk in Aufsicht, fließende Kamerabewegungen, dem Herrscher gehört die Großaufnahme, seine Untergebenen fasst er in die Totale. Shakespearesque Königsdramen und das Fußvolk, das sie blutig ausagiert. Allerdings scheint mir in Yukols Film das Verhältnis der Herrscher zu ihren Untertanen doch ein wenig anders beschaffen zu sein als in den chinesischen Filmen (und insgesamt nehme ich dem Film eher als seinen eleganteren Pendants ab, dass in ihm tatsächlich eine Gesellschaft über ihre Geschichte nachdenkt).
Die Unterschiede sind (wenn ich sie mir nicht ohnehin nur einbilde) nicht in jeder Hinsicht offensichtlich und sie sind schwer zu beschreiben. In den chinesischen Filmen ist der Herrscher ein Künstler, der sein Volk als Ornament arrangiert und der Regisseur hilft ihm dabei. Bei Yukol wirkt das einerseits organischer, andererseits handwerklicher, brachialer. Zunächst: keine aufwändigen Martial-Arts-Arrangements, statt dessen schlagen die Krieger humorlos zu, in der einen Hand das Schwert, in der anderen die Streitaxt. Vor allem aber gibt es Momente, in denen der Film gegen seine Struktur eine Kontinuität zwischen seinen historischen Helden und ihrer namenlosen Gefolgschaft aufscheinen lässt. Wenn die Kamera vor den Schlachten über die Reihen der Soldaten schwenkt, sucht sie weniger die mechanistische Gesamtheit, die militärischer Drill und Uniformierung als serielles Moment hervorbringen, sondern es geht um eine organische Gesamtheit, die nicht nur der bloßen funktionalisierbaren Variation, sondern qualitativer Unterschiede bedarf. Vielleicht: im europäischen Historienfilm löst sich das Ornament im Moment der Schlacht, im Angesicht des Todes auf und kritisiert dadurch das Ornament; das neue Wuxia strebt danach, die Ordnung (als visuelle) in den Schlacht, in den Tod zu verlängern und setzt das Ornament als transzendentale Instanz; Yukols Film bleibt als Ganzes nicht vor dem Ornamentalen, aber vor dem totalitären, vollendeten Ornament.
Yukols Autorenhandschrift ist weitgehend unsichtbar und prägt sich eher in das ein, was der Film nicht macht. Zum Beispiel verzichtet Naresuan 2 auf Triumphalismen, sein Pathos ist in den entscheidenden Momenten melancholisch grundiert. Freilich habe ich in zweieinhalb Stunden Laufzeit nur eine einzige "echte" Yukol-Szene ausmachen können: In der besucht Naresuan, Haupt- und Identifikationsfigur der geplanten Trilogie, anonym seine Untertanen. Wenn die Kamera für einmal nicht imperial motiviert auf das Volk blickt, verschwindet der Piktorialismus zwar nicht, aber er wird als eine Konvention sichtbar, die lügt und als eine Lüge, die Naresuan und Yukol eigentlich aufdecken sollten und irgendwie auch wollen. Allein, man lässt sie nicht und nach einer anekdotischen Nacht bei einer schrulligen Alten, die ihren Herrscher nicht erkennt, macht man sich wieder auf in Richtung Geschichtsbuch.
Labels:
Chatrichalerm Yukol,
Historienfilm,
Naresuan 2,
Thailand,
Wuxia
Thursday, November 19, 2009
Issaraparb kong Thongphun Khokpho / Citizen 2, Chatrichalerm Yukol, 1984
Diese Fortsetzung eines bislang nicht auf DVD, VHS oder VCD verfügbaren Films gehört mit Sicherheit zu Yukols schönsten Werken: Eine düster schimmernde Großstadtballade, ehrlich-romantischer Sozialrealismus, pumpende Discomusik als Hintergrund für Schießereien in Tiefgaragen, Neonreklamen färben die notdürftige Unterkunft, in der der aus der Haft entlassene ehemalige Taxifahrer Thongphun und die unter prekären Bedingungen aufgewachsene Jugendliche Lamai sich notdürftig von der sie umgebenden Stadt abzuschirmen versuchen (nicht nur vor den Neonreklamen gibt es kein Entkommen). Erst kurz vor Ende entwickelt sich ein klassischer Thrillerstoff, davor erkundet der Film mit seinen Figuren in episodischer Form Bangkok. Die inszenierte Schlägerei im Restaurant, um die Rechnung nicht bezahlen zu müssen. Der Polizist, der den Gangsterboss, der sich immer wieder aus dem Gefängnis freikauft, stellt und damit sein eigenes Todesurteil unterzeichnet (das der Film dann aber nicht, oder wenigstens nicht ganz, vollstreckt). Die Diebin, die eine andere Diebin bestehlen möchte und bei dem Versuch aus Versehen eine reguläre Anstellung erhält. Einmal bleibt die Kamera auch einfach nur für ein paar Sekunden an einem Mann hängen, der auf der Straße liegt und sich in Schmerzen windet.
Großartig auch in diesem Film, wie Yukol seine Figuren entwirft: nie als handlungsmächtige Individuen im engeren Sinne natürlich, aber eben auch nie als bloße Opfer oder Funktionen ihrer jeweiligen Milieus. Es geht immer um spezifische Haltungen zum eigenen Leid, Haltungen, die eher ethischer als epistemischer Natur sind. Es geht um die Wahl zwischen verschiedenen derartigen Haltungen und darum, dass eine solche Wahl auch dann möglich ist, wenn man noch nicht in der Lage ist, das große Ganze in den Blick zu bekommen. (Immer wieder kommt mir Brocka in den Sinn, erst recht in diesem Fall, weil der Film mit einem Gewaltausbruch endet, der zu dem vorherigen Verhalten des Protagonisten in keinem Verhältnis steht. Dennoch verhält es sich bei Brocka glaube ich etwas anders: Zwar geht es dem philippinischen Regisseur ebenfalls immer wieder um eine prä-revolutionäre Selbstermächtigung nicht als Ergebnis von, sondern als Voraussetzung für politische Kritik, aber der Wandel, auf den seine Filme zielen, ist genau die Konstitution eben der ethischen Haltung zum eigenen Schicksal, die Yukols deutlich näher an den Figurenkonzeptionen Hollywoods angelegte Filme bereits voraussetzen.)
Thongphuns Vorgeschichte wurde in einem anderen Film erzählt, man kann sie jedoch recht genau rekonstruieren: Er ist ein idealistischer Taxifahrer, der mit Gangstern in Konflikt geraten war und irgendwann beschloss, sich zu wehren. Die Tatsache, dass er bei der Gelegenheit im ersten Film nicht einfach nur zuschlug, sondern ein waschechtes Blutbad anrichtete (vier Tote, zwei Verletzte), schwebt von Anfang an als irritierendes Moment über dem Nachfolger, als Potential, das auf seine Realisierung wartet - und natürlich, da verrate ich nicht zuviel: nicht umsonst warten muss. Im Grunde weiß Thongphun die ganze Zeit, worauf seine Odyssee auch diesmal wieder hinauslaufen muss. Der eher lakonisch als emphatisch inszenierte Gewaltausbrauch am Ende, nach einigen yukoltypischen Drehbuchmanövern, denen man eigentlich nur bedingt folgen möchte, kommt nicht überraschend, aber er verändert den Film überraschend radikal. In wenigen Minuten stellt Thongphun sich und seine Welt auf den Kopf, beziehungsweise vom Kopf auf die Füße und im federleichten Happy End (begleitet von einem unter mehreren großartigen Thai-Popsongs - Citizen 2 ist tatsächlich mal ein Film, dessen Soundtrack ich mir kaufen würde) ist seine eigene Unmöglichkeit schon mitgedacht.
Großartig auch in diesem Film, wie Yukol seine Figuren entwirft: nie als handlungsmächtige Individuen im engeren Sinne natürlich, aber eben auch nie als bloße Opfer oder Funktionen ihrer jeweiligen Milieus. Es geht immer um spezifische Haltungen zum eigenen Leid, Haltungen, die eher ethischer als epistemischer Natur sind. Es geht um die Wahl zwischen verschiedenen derartigen Haltungen und darum, dass eine solche Wahl auch dann möglich ist, wenn man noch nicht in der Lage ist, das große Ganze in den Blick zu bekommen. (Immer wieder kommt mir Brocka in den Sinn, erst recht in diesem Fall, weil der Film mit einem Gewaltausbruch endet, der zu dem vorherigen Verhalten des Protagonisten in keinem Verhältnis steht. Dennoch verhält es sich bei Brocka glaube ich etwas anders: Zwar geht es dem philippinischen Regisseur ebenfalls immer wieder um eine prä-revolutionäre Selbstermächtigung nicht als Ergebnis von, sondern als Voraussetzung für politische Kritik, aber der Wandel, auf den seine Filme zielen, ist genau die Konstitution eben der ethischen Haltung zum eigenen Schicksal, die Yukols deutlich näher an den Figurenkonzeptionen Hollywoods angelegte Filme bereits voraussetzen.)
Thongphuns Vorgeschichte wurde in einem anderen Film erzählt, man kann sie jedoch recht genau rekonstruieren: Er ist ein idealistischer Taxifahrer, der mit Gangstern in Konflikt geraten war und irgendwann beschloss, sich zu wehren. Die Tatsache, dass er bei der Gelegenheit im ersten Film nicht einfach nur zuschlug, sondern ein waschechtes Blutbad anrichtete (vier Tote, zwei Verletzte), schwebt von Anfang an als irritierendes Moment über dem Nachfolger, als Potential, das auf seine Realisierung wartet - und natürlich, da verrate ich nicht zuviel: nicht umsonst warten muss. Im Grunde weiß Thongphun die ganze Zeit, worauf seine Odyssee auch diesmal wieder hinauslaufen muss. Der eher lakonisch als emphatisch inszenierte Gewaltausbrauch am Ende, nach einigen yukoltypischen Drehbuchmanövern, denen man eigentlich nur bedingt folgen möchte, kommt nicht überraschend, aber er verändert den Film überraschend radikal. In wenigen Minuten stellt Thongphun sich und seine Welt auf den Kopf, beziehungsweise vom Kopf auf die Füße und im federleichten Happy End (begleitet von einem unter mehreren großartigen Thai-Popsongs - Citizen 2 ist tatsächlich mal ein Film, dessen Soundtrack ich mir kaufen würde) ist seine eigene Unmöglichkeit schon mitgedacht.
Wednesday, November 18, 2009
Nawng mia / Story of Chao Phraya, Chatrichalerm Yukol, 1990
Chatrichalerm Yukol ist ein sozial engagierter Regisseur mit verwandschaftlichen Verbindungen zum thailändischen Königshaus. Dem Vernehmen nach haben ihm diese Verbindungen des öfteren geholfen, seine Filme an der harten thailändischen Zensur vorbei zu schmuggeln. Seine Position im thailändischen Kino ähnelt vielleicht ein wenig der Lino Brockas im philippinischen (wobei nicht zuletzt die großen Unterschiede zwischen den jeweiligen Filmindustrien, in denen die beiden Regisseure arbeiteten, bei einem derartigen Vergleich zu bedenken sind): Er arbeitet in populären Genres, beherrscht deren Regelwerke auch außerordentlich gut, stellt das Genre aber konsequent in den Dienst eines sozialen Programms - die Historienspektakel, die Yukol seit einigen Jahren inszeniert und die sein Werk mit Sicherheit in eine ganz andere Richtung führen, kenne ich noch nicht. Weniger kohärent erscheint dieses Programm als im Falle Brockas und ich kenne keine im engeren Sinne agitatorischen Yukolfilme, die mit beispielsweise Bayan ko vergleichbar wären.
Überhaupt ist sein Einsatz eher liberal-reformerisch als radikal-revolutionär. Die Filme arbeiten sich an auf den ersten Blick eng umgrenzten Themen ab: In einem Film geht es um Zwangsprostitution (Hotel Angel), in einem zweiten um Drogensucht (Daughter), in einem dritten um AIDS (Daughter 2). Das Thema von Story of Chao Phraya ist als konstitutiver Hintergrund in vielen, wenn nicht gar in allen seinen Filmen (soweit ich sie kenne) präsent, mindestens in einem weiteren (Doktor Kam) steht es direkt im Mittelpunkt: Die krasse Differenz zwischen dem Leben in der Stadt und dem auf dem Land.
Es geht um eine Familie von Händlern aus einem ländlich geprägten Teil Thailands, die Waren in die Städte schifft und dort verkauft. Yukol etabliert die Dynamik, die den Film antreibt, schon in der ersten Szene, wenn Prang, die Frau der Familie, auf dem Deck des Schiffs sitzt und ihre Fußnägel lackiert. Prang hält nichts mehr auf dem Schiff. Sobald es in der Hauptstadt Bangkok angekommen ist, macht sie sich auf in einen Frisiersalon, in dem eine zwielichtige Dame junge Provinzlerinnen anspricht und ihnen Hoffnung auf Filmkarrieren macht.
Vielleicht, weil sich ohnehin jeder den weiteren Verlauf dieses Handlungsstrangs ausmalen kann, lässt Yukol ihn zunächst fast vollständig fallen und erschließt die Verlockungen und Gefahren der Großstadt nicht über die direkte körperliche Erfahrung Prangs, sondern über ihren Ehemann Sang, der sich gemeinsam mit einem Taxifahrer, der ihn nach allen Regeln der Kunst ausnimmt, auf die Suche nach seiner Geliebten macht (noch einmal der Brocka-Vergleich: sowohl thematisch als auch strukturell erinnert der Film an dessen freilich bei aller Liebe für Yukol ungleich kraftvolleren und reicheren Klassiker Manila in the Claws of Neon). Sang ist nicht direkt körperlich in diese Stadt involviert, er bleibt ein Fremdkörper, ein distanzierter Betrachter, vor dem Yukol das sündige Bangkok in Form von Attraktionsmontagen ausbreitet. Nachtclubtänzerinnen, Neonreklamen etc. Die besten Momente des Films finden sich in diesen Szenen, etwa, wenn Sang in einer Totalen ein gigantisches Kaufhaus durchquert, in dem er sichtlich nichts verloren hat.
Yukols Filme bekommen nicht selten Probleme mit ihrer melodramatischen Struktur. Anders als in den besten Brocka-Filmen (zB Bona, Insiang, Jaguar, Manila...) bleibt das Melodrama dem sozialen Gehalt (und auch den immer wieder, in den späteren Filmen aber weniger häufig auftauchenden avandgardistisch-dialektischen Montagesequenzen) äußerlich. In Story of Chao Phraya heftet sich das Melodrama vor allem an die dritte Figur in der Familie, an Tubtim, die jugendliche Schwester der Frau, die sich (Yukol lässt auch in seinen zurückhaltenderen Filmen, zu denen der hier besprochene zählt, keine Härten aus, in einigen früheren Werken, aber auch im später entstandenen Daughter, geht es auch schon mal in Richtung Exploitation) von ihrem Schwager erst um ein Haar vergewaltigen lassen muss und ihn später, als ihre Schwester nicht aufzutreiben ist, dann auch noch heiraten soll. Am Ende kollidiert dieses Melodram (das zweifellos an reale Erfahrungen anschließt aber nicht in diesem Sinne inszeniert wird) mit dem sozialen Inhalt des Films in einer recht kruden Szene, die eben in ihrer Krudheit anzeigt, dass da etwas nicht stimmt in der Konstruktion des Films und dass das, was nicht stimmt, etwas ist, für das der Regisseur wenig wenn überhaupt etwas kann. Eher bezeichnet diese Szene die notwendige politische Grenze eines in sich dennoch sehr interessanten Kinoentwurfs.
Überhaupt ist sein Einsatz eher liberal-reformerisch als radikal-revolutionär. Die Filme arbeiten sich an auf den ersten Blick eng umgrenzten Themen ab: In einem Film geht es um Zwangsprostitution (Hotel Angel), in einem zweiten um Drogensucht (Daughter), in einem dritten um AIDS (Daughter 2). Das Thema von Story of Chao Phraya ist als konstitutiver Hintergrund in vielen, wenn nicht gar in allen seinen Filmen (soweit ich sie kenne) präsent, mindestens in einem weiteren (Doktor Kam) steht es direkt im Mittelpunkt: Die krasse Differenz zwischen dem Leben in der Stadt und dem auf dem Land.
Es geht um eine Familie von Händlern aus einem ländlich geprägten Teil Thailands, die Waren in die Städte schifft und dort verkauft. Yukol etabliert die Dynamik, die den Film antreibt, schon in der ersten Szene, wenn Prang, die Frau der Familie, auf dem Deck des Schiffs sitzt und ihre Fußnägel lackiert. Prang hält nichts mehr auf dem Schiff. Sobald es in der Hauptstadt Bangkok angekommen ist, macht sie sich auf in einen Frisiersalon, in dem eine zwielichtige Dame junge Provinzlerinnen anspricht und ihnen Hoffnung auf Filmkarrieren macht.
Vielleicht, weil sich ohnehin jeder den weiteren Verlauf dieses Handlungsstrangs ausmalen kann, lässt Yukol ihn zunächst fast vollständig fallen und erschließt die Verlockungen und Gefahren der Großstadt nicht über die direkte körperliche Erfahrung Prangs, sondern über ihren Ehemann Sang, der sich gemeinsam mit einem Taxifahrer, der ihn nach allen Regeln der Kunst ausnimmt, auf die Suche nach seiner Geliebten macht (noch einmal der Brocka-Vergleich: sowohl thematisch als auch strukturell erinnert der Film an dessen freilich bei aller Liebe für Yukol ungleich kraftvolleren und reicheren Klassiker Manila in the Claws of Neon). Sang ist nicht direkt körperlich in diese Stadt involviert, er bleibt ein Fremdkörper, ein distanzierter Betrachter, vor dem Yukol das sündige Bangkok in Form von Attraktionsmontagen ausbreitet. Nachtclubtänzerinnen, Neonreklamen etc. Die besten Momente des Films finden sich in diesen Szenen, etwa, wenn Sang in einer Totalen ein gigantisches Kaufhaus durchquert, in dem er sichtlich nichts verloren hat.
Yukols Filme bekommen nicht selten Probleme mit ihrer melodramatischen Struktur. Anders als in den besten Brocka-Filmen (zB Bona, Insiang, Jaguar, Manila...) bleibt das Melodrama dem sozialen Gehalt (und auch den immer wieder, in den späteren Filmen aber weniger häufig auftauchenden avandgardistisch-dialektischen Montagesequenzen) äußerlich. In Story of Chao Phraya heftet sich das Melodrama vor allem an die dritte Figur in der Familie, an Tubtim, die jugendliche Schwester der Frau, die sich (Yukol lässt auch in seinen zurückhaltenderen Filmen, zu denen der hier besprochene zählt, keine Härten aus, in einigen früheren Werken, aber auch im später entstandenen Daughter, geht es auch schon mal in Richtung Exploitation) von ihrem Schwager erst um ein Haar vergewaltigen lassen muss und ihn später, als ihre Schwester nicht aufzutreiben ist, dann auch noch heiraten soll. Am Ende kollidiert dieses Melodram (das zweifellos an reale Erfahrungen anschließt aber nicht in diesem Sinne inszeniert wird) mit dem sozialen Inhalt des Films in einer recht kruden Szene, die eben in ihrer Krudheit anzeigt, dass da etwas nicht stimmt in der Konstruktion des Films und dass das, was nicht stimmt, etwas ist, für das der Regisseur wenig wenn überhaupt etwas kann. Eher bezeichnet diese Szene die notwendige politische Grenze eines in sich dennoch sehr interessanten Kinoentwurfs.
Tuesday, November 10, 2009
Farockis Hand
Bilder der Welt und Inschrift des Krieges (1989)
Aufschub (2007)
Einige Minuten nachdem Harun Farocki in Bilder der Welt und Inschrift des Krieges die von Mitgliedern der SS augenommene Fotografie einer Frau, die in Ausschwitz an der Kamera vorbei in den Tod geht, ausführlich analysiert hat, taucht sie noch einmal kurz im filmischen Bild auf. Farocki durchblättert einen Fotoband, in dem das Bild enthalten ist. Als er die entsprechende Seite aufschlägt, bewegt sich seine Hand fast reflexartig über die Fotografie. Die Geste schließt nicht nur an eine andere im Film an, die den für kolonialistische Bildpraxis abgelegten Schleier algerischer Frauen erst reinstalliert, dann invertiert, vor allem ist sie eine ethische Bezugnahme auf das Bild, ein Bild, das zumindest in diesem Kontext (Fotoband) einer solchen Geste bedarf. Dieses Bild darf (so) nicht sein. Die Hand hat meine eigene Regung gestisch adäquat aufgegriffen: Will man im Kino den Bildern entfliehen, kann man entweder die Augen schließen, oder die Hand vor die Augen bewegen.
Diese Szene bedeutet auch: Solange man Hände hat und Augen, die man schließen kann, ist man dem Bild im Kino eben nicht hilflos ausgeliefert. Und: Solange man einen Körper und einen Geist hat, kann man sich auch nicht aus der Verantwortung stehlen, sich zu den Bildern, die vor einen projiziert werden, ethisch zu verhalten.
In Aufschub ist keine Autorenhand vorhanden. Quasigestische Bezugnahmen des Autors auf die fürchterlichen Bilder gibt es aber durchaus. Diese Bezugnahmen sehen zunächst aus wie das exakte Gegenteil zur Geste aus Bilder der Welt und Inschrift des Krieges. Zwischentitel und Bildmanipulationen wie Standbilder verdecken nicht, sondern funktionieren wie ein Zeigefinger, der nicht immer das offensichtliche, aber auch nicht einfach nur iregnd etwas, sondern das fürs Argument des Autors entscheidende auswählt. Fürchterlich ist an den Bildern nicht das, was der Zeigefinger auswählt, sondern die reine Macht des Indexikalischen, der Abdruck einer Wirklichkeit, in der der Schrecken als gerade-noch-abwesender präsenter ist, als er als direkt anwesender jemals sein könnte. Intensiviert Farocki den grausamen Index einfach nur in seinen Zusätzen zum Bild, wenn er zum Beispiel eine Einstellung, die einen anfahrenden Zug in Richtung Vernichtungslager zeigt, exakt dann anhält, wenn einer der Abtransportierten zum Abschied aus dem Fenster winkt? Ich glaube: nein. Uneditiert und -kommentiert wäre der Index reiner und auf eine fragwürdige Art und Weise kraftvoller, dekontextualisiert würde der Index zum Special Effect, potentiell auch zum Objekt eines wohligen Schauderns: KZ-Alltag als Geisterbahn.
Der Zeigefinger distanziert aber auch nicht, zumindest nicht in erster Linie. In erster Linie ist er eine andere Art ethischer Bezugnahme aufs Bild. Und in diesem Sinne eher komplementär zu als unvereinbar mit der Hand, die vors Bild geschoben / vor die Augen geschlagen wird.
Aufschub (2007)
Einige Minuten nachdem Harun Farocki in Bilder der Welt und Inschrift des Krieges die von Mitgliedern der SS augenommene Fotografie einer Frau, die in Ausschwitz an der Kamera vorbei in den Tod geht, ausführlich analysiert hat, taucht sie noch einmal kurz im filmischen Bild auf. Farocki durchblättert einen Fotoband, in dem das Bild enthalten ist. Als er die entsprechende Seite aufschlägt, bewegt sich seine Hand fast reflexartig über die Fotografie. Die Geste schließt nicht nur an eine andere im Film an, die den für kolonialistische Bildpraxis abgelegten Schleier algerischer Frauen erst reinstalliert, dann invertiert, vor allem ist sie eine ethische Bezugnahme auf das Bild, ein Bild, das zumindest in diesem Kontext (Fotoband) einer solchen Geste bedarf. Dieses Bild darf (so) nicht sein. Die Hand hat meine eigene Regung gestisch adäquat aufgegriffen: Will man im Kino den Bildern entfliehen, kann man entweder die Augen schließen, oder die Hand vor die Augen bewegen.
Diese Szene bedeutet auch: Solange man Hände hat und Augen, die man schließen kann, ist man dem Bild im Kino eben nicht hilflos ausgeliefert. Und: Solange man einen Körper und einen Geist hat, kann man sich auch nicht aus der Verantwortung stehlen, sich zu den Bildern, die vor einen projiziert werden, ethisch zu verhalten.
In Aufschub ist keine Autorenhand vorhanden. Quasigestische Bezugnahmen des Autors auf die fürchterlichen Bilder gibt es aber durchaus. Diese Bezugnahmen sehen zunächst aus wie das exakte Gegenteil zur Geste aus Bilder der Welt und Inschrift des Krieges. Zwischentitel und Bildmanipulationen wie Standbilder verdecken nicht, sondern funktionieren wie ein Zeigefinger, der nicht immer das offensichtliche, aber auch nicht einfach nur iregnd etwas, sondern das fürs Argument des Autors entscheidende auswählt. Fürchterlich ist an den Bildern nicht das, was der Zeigefinger auswählt, sondern die reine Macht des Indexikalischen, der Abdruck einer Wirklichkeit, in der der Schrecken als gerade-noch-abwesender präsenter ist, als er als direkt anwesender jemals sein könnte. Intensiviert Farocki den grausamen Index einfach nur in seinen Zusätzen zum Bild, wenn er zum Beispiel eine Einstellung, die einen anfahrenden Zug in Richtung Vernichtungslager zeigt, exakt dann anhält, wenn einer der Abtransportierten zum Abschied aus dem Fenster winkt? Ich glaube: nein. Uneditiert und -kommentiert wäre der Index reiner und auf eine fragwürdige Art und Weise kraftvoller, dekontextualisiert würde der Index zum Special Effect, potentiell auch zum Objekt eines wohligen Schauderns: KZ-Alltag als Geisterbahn.
Der Zeigefinger distanziert aber auch nicht, zumindest nicht in erster Linie. In erster Linie ist er eine andere Art ethischer Bezugnahme aufs Bild. Und in diesem Sinne eher komplementär zu als unvereinbar mit der Hand, die vors Bild geschoben / vor die Augen geschlagen wird.
Hotel > Lourdes (Jessica Hausner)
Hotel: Die archaische Waldhexe, heidnische Residuen in den Zentren der Tourismusindustrie, die Geister sind unter uns.
Lourdes: Christentum, das in Textexegese beginnt und endet. Geschlossene Systeme. Die Liturgie öffnet sich auf den Kapitalismus, aber deshalb noch lange nicht auf die Welt.
Lourdes: Christentum, das in Textexegese beginnt und endet. Geschlossene Systeme. Die Liturgie öffnet sich auf den Kapitalismus, aber deshalb noch lange nicht auf die Welt.
Labels:
Hotel,
Jessica Hausner,
Lourdes,
Österreich,
Religion
Tuesday, October 27, 2009
In passing: Viennale 2009 in drei Sätzen
Eastern Plays, Kamen Kalev, 2009
Sofia: Wo Kinder nichts anderes zu tun haben, als Saltos im Matsch zu schlagen, enden sie zwangsläufig als Neonazis oder Junkies.
Sofia: Wo alle Männer kaputt sind und alle Frauen hysterisch - oder zumindest ausgesucht dummes Zeug daher schwätzen (sogar die Touristinnen, die aus Istanbul anreisen).
Leider interessiert sich Kamen Kalev weniger für seinen Schauplatz als für die langweiligen Psychopathologie seines Protagonisten.
Ddongpari, Yang Ik-yoon, 2009
Ein Mann, der das Verhältnis zu Welt und Mitmenschen nur als Gewaltverhältnis denken kann, Welt und Mitmenschen, die more often than not Gleiches mit Gleichem vergelten: Das ist zu Beginn richtig lustig.
Leider trägt der Film in jeder Hinsicht zu dick auf, wenn er versucht mehr zu sein als nur ein konsequentes Asozialdrama.
Wie doch recht oft im koreanischen Kino gibt es am Ende keine Erlösung ohne ein blutüberströmtes Gesicht in Großaufnahme.
Fisshu sutori, Yoshihiro Nakamura, 2009
Punkrock und indische Astronauten retten die Welt.
Wenn's im japanischen Gegenwartskino "skurril" und "quirky" zugeht, sollte man eigentlich schon einmal vorsorglich in Deckung gehen.
Fisshu sutori hat mir aber durchaus gefallen, vor allem, weil Nakamuras Film trotz Meteor konsequent working class bleibt, filmästhetisch wie inhaltlich.
Sofia: Wo Kinder nichts anderes zu tun haben, als Saltos im Matsch zu schlagen, enden sie zwangsläufig als Neonazis oder Junkies.
Sofia: Wo alle Männer kaputt sind und alle Frauen hysterisch - oder zumindest ausgesucht dummes Zeug daher schwätzen (sogar die Touristinnen, die aus Istanbul anreisen).
Leider interessiert sich Kamen Kalev weniger für seinen Schauplatz als für die langweiligen Psychopathologie seines Protagonisten.
Ddongpari, Yang Ik-yoon, 2009
Ein Mann, der das Verhältnis zu Welt und Mitmenschen nur als Gewaltverhältnis denken kann, Welt und Mitmenschen, die more often than not Gleiches mit Gleichem vergelten: Das ist zu Beginn richtig lustig.
Leider trägt der Film in jeder Hinsicht zu dick auf, wenn er versucht mehr zu sein als nur ein konsequentes Asozialdrama.
Wie doch recht oft im koreanischen Kino gibt es am Ende keine Erlösung ohne ein blutüberströmtes Gesicht in Großaufnahme.
Fisshu sutori, Yoshihiro Nakamura, 2009
Punkrock und indische Astronauten retten die Welt.
Wenn's im japanischen Gegenwartskino "skurril" und "quirky" zugeht, sollte man eigentlich schon einmal vorsorglich in Deckung gehen.
Fisshu sutori hat mir aber durchaus gefallen, vor allem, weil Nakamuras Film trotz Meteor konsequent working class bleibt, filmästhetisch wie inhaltlich.
Friday, October 16, 2009
Mit Elaine Benes...
...wussten die ersten beiden Seinfeld-Staffeln noch nicht wirklich viel anzufangen. Der Qualitätssprung zur dritten und dann insbesondere zur vierten Staffel (best television of the 90ies?) lässt sich, glaube ich, nicht zuletzt darauf zurückführen, dass Julia Louis-Dreyfus in ihre Rolle findet.
In Seinfeld hat jeder Raum etwas Bühnenartiges, aber niemand nutzt diese Bühne so wie Elaine, wenn sie die Tür aufreist und ihre Show durchzieht. Elaine gehört auf den ersten Blick zu Kramer, beide haben keinerlei Distanz zu ihren jeweiligen Körpern, ganz im Gegensatz zu Jerry (ironische Distanz) und George (masochistischer, resignativer Blick auf die eigene Leiblichkeit), die ihre Körper andauernd in jeweils sehr unterschiedlich geartete Anführungszeichen setzen.
Doch Kramer und Elaine unterschieden sich ebenso voneinander wie Jerry von George: Wo Kramers Körper inkompatibel mit sich selbst und der Welt ist und ständig nur diese Inkompatibilität verhandelt, ist Elaines Körper reiner Ausdruck, in ihn prägt sich jede Pointe, jede Wendung ganz unmittelbar ein.
In Seinfeld hat jeder Raum etwas Bühnenartiges, aber niemand nutzt diese Bühne so wie Elaine, wenn sie die Tür aufreist und ihre Show durchzieht. Elaine gehört auf den ersten Blick zu Kramer, beide haben keinerlei Distanz zu ihren jeweiligen Körpern, ganz im Gegensatz zu Jerry (ironische Distanz) und George (masochistischer, resignativer Blick auf die eigene Leiblichkeit), die ihre Körper andauernd in jeweils sehr unterschiedlich geartete Anführungszeichen setzen.
Doch Kramer und Elaine unterschieden sich ebenso voneinander wie Jerry von George: Wo Kramers Körper inkompatibel mit sich selbst und der Welt ist und ständig nur diese Inkompatibilität verhandelt, ist Elaines Körper reiner Ausdruck, in ihn prägt sich jede Pointe, jede Wendung ganz unmittelbar ein.
Labels:
Elaine Benes,
Komödie,
Network,
Quality TV,
Seinfeld,
Sitcom,
USA
Thursday, October 15, 2009
Padatik / The Guerilla Fighter, Mrinal Sen, 1973
Der dritte Teil der Kalkutta-Trilogie: Das soziopolitische Argument ist sowohl anhand des beispielhaften Einzelfalls (Interview) als auch in historisch-vergleichender Manier (Calcutta 71) gemacht, die Schlussfolgerungen sind marxistisch-radikal: Auf den Sturz der kolonialen Statuen muss die Zerstörung der Schaufensterpuppen des Kapitalismus folgen.
In diesem dritten Teil geht es nur noch um das revolutionäre Subjekt, das sich in den ersten beiden Filmen zwar schon formierte, aber nur als (noch) blind zuschlagende Urgewalt (Interview) beziehungsweise als untote Rückseite der Bilder von Unterdrückung und Hunger (Calcutta 71). In Padatik geht es um dieses revolutionäre Subjekt selbst, um seine Möglichkeiten und Grenzen, um seine Her-, wie um seine Zukunft. Und da wird die Sache komplizierter (was nicht heißen soll, das diese beiden ersten Filme nicht kompliziert wären, ganz im Gegenteil konfrontieren die eine eher unkomplizierte These mit einer denkbar komplizierten Ästhetik und sie gestalten diese Konfrontation angemessen ambivalent und eben nicht, wie den Filmen hier und da vorgeworfen wird, vulgär-brechtisch).
Kalkutta selbst dringt in die Gegenwart des Films nur noch als Flash ein, in kurzen, paranoid anmutenden Handkamerapassagen, in denen der Kamerablick selbst den jungen Mann, das revolutionäre Subjekt zu verfolgen scheint. Auch die Thesen, die soziopolitischen Analysen der beiden Vorgänger bleiben diesem Film äußerlich oder sie manifestieren sich nur in Form klassischer Agitprop-Motive, als Parolen über Zeitungspressen:
Immer wieder brechen diese Parolen als Montagen in den Film ein, unterlegt von harten, schnellen Rhythmen, eben jenen Stakkatoschlägen, die in allen drei Filmen (wie auch in anderen Filmen Sens) einzelne Szenen aufbrechen, rhythmisieren, intensivieren. Vielleicht ist das ohnehin das großartigste an den tollen Filmen Sens: die Musik, wie sie - immer wieder in Verbindung mit Montage-Sequenzen - die sozialrealistische Grundierung der Bilder transzendiert, die Bilder mit ihrem Drive, ihrer Insistenz infiziert, durchaus aktiv und gestenartig, zeigend, emphatisch hinweisend, anklagend, aber nie: modernistisch brechend, distanzierend. Keine Verfremdung des Gegebenen, sondern Reaktion auf eine bereits vorgängige Verfremdung, beziehungsweise auf die Entfremdung des Gegebenen von sich selbst.
Jetzt gibt es ein revolutionäres Subjekt, einen jungen Mann, der ganz und gar ein solches ist und vom Film darüber hinaus nicht charakterisiert wird. Er ist allerdings eingesperrt in einer dezidiert bourgeoisen Wohnung, versteckt sich nach einem Attentat bei einer sympathisierenden jungen Frau, hält über einen Jugendfreund Kontakt mit der naxalitisch-marxistischen Parteiführung. Die Konstellation funktioniert bald nicht mehr so richtig, das revolutionäre Subjekt muss am Ende aus dem samtenen Gefängnis ausbrechen (und die Frau idealerweise mitnehmen und aus einem ganz anders gearteten Gefängnis befreien), es muss sich vom Apparat der Partei wie von falschen Freunden trennen und einen Neuanfang jenseits von hierarchiezerfressenen Theorien wagen, auf einer durch und durch moralischen, individual-ethischen Grundlage. In einer interessanten Wendung verbindet Sen diesen Neuanfang mit einem Rückbezug auf die antikoloniale Unabhängigkeitsbewegung.
Bis es aber soweit ist, entwickelt der Film eine komplexe filmpoetische Dialektik. Auf der einen Seite ist immer das Appartment, die Gegenwart des Revolutionärs, der sich seine Handlungsmacht vom Apparat beschneiden lässt, der in den schön eingerichteten Zimmern abhängt und ein wenig mit deren Besitzerin flirtet, im Wissen, dass aus diesem Flirt genauso wenig folgen wird, wie aus seinem verwalteten Aktivismus. Und eben auch: die bildrealistische Gegenwart des Films. Alles, was interessant, produktiv, progressiv wäre, ist auf der anderen Seite, auf Seiten der Vergangenheit, des Traums, auf Seiten des filmpoetisch Uneigentlichen: der Rückblenden, der Montagesequenzen, der Newsreelausschnitte, die in den Film eindringen, der Musik, die immer wieder antreibt, rhythmisiert, auffordert, solange, bis sich schließlich doch eine Fluchtlinie auftut.
In diesem dritten Teil geht es nur noch um das revolutionäre Subjekt, das sich in den ersten beiden Filmen zwar schon formierte, aber nur als (noch) blind zuschlagende Urgewalt (Interview) beziehungsweise als untote Rückseite der Bilder von Unterdrückung und Hunger (Calcutta 71). In Padatik geht es um dieses revolutionäre Subjekt selbst, um seine Möglichkeiten und Grenzen, um seine Her-, wie um seine Zukunft. Und da wird die Sache komplizierter (was nicht heißen soll, das diese beiden ersten Filme nicht kompliziert wären, ganz im Gegenteil konfrontieren die eine eher unkomplizierte These mit einer denkbar komplizierten Ästhetik und sie gestalten diese Konfrontation angemessen ambivalent und eben nicht, wie den Filmen hier und da vorgeworfen wird, vulgär-brechtisch).
Kalkutta selbst dringt in die Gegenwart des Films nur noch als Flash ein, in kurzen, paranoid anmutenden Handkamerapassagen, in denen der Kamerablick selbst den jungen Mann, das revolutionäre Subjekt zu verfolgen scheint. Auch die Thesen, die soziopolitischen Analysen der beiden Vorgänger bleiben diesem Film äußerlich oder sie manifestieren sich nur in Form klassischer Agitprop-Motive, als Parolen über Zeitungspressen:
Immer wieder brechen diese Parolen als Montagen in den Film ein, unterlegt von harten, schnellen Rhythmen, eben jenen Stakkatoschlägen, die in allen drei Filmen (wie auch in anderen Filmen Sens) einzelne Szenen aufbrechen, rhythmisieren, intensivieren. Vielleicht ist das ohnehin das großartigste an den tollen Filmen Sens: die Musik, wie sie - immer wieder in Verbindung mit Montage-Sequenzen - die sozialrealistische Grundierung der Bilder transzendiert, die Bilder mit ihrem Drive, ihrer Insistenz infiziert, durchaus aktiv und gestenartig, zeigend, emphatisch hinweisend, anklagend, aber nie: modernistisch brechend, distanzierend. Keine Verfremdung des Gegebenen, sondern Reaktion auf eine bereits vorgängige Verfremdung, beziehungsweise auf die Entfremdung des Gegebenen von sich selbst.
Jetzt gibt es ein revolutionäres Subjekt, einen jungen Mann, der ganz und gar ein solches ist und vom Film darüber hinaus nicht charakterisiert wird. Er ist allerdings eingesperrt in einer dezidiert bourgeoisen Wohnung, versteckt sich nach einem Attentat bei einer sympathisierenden jungen Frau, hält über einen Jugendfreund Kontakt mit der naxalitisch-marxistischen Parteiführung. Die Konstellation funktioniert bald nicht mehr so richtig, das revolutionäre Subjekt muss am Ende aus dem samtenen Gefängnis ausbrechen (und die Frau idealerweise mitnehmen und aus einem ganz anders gearteten Gefängnis befreien), es muss sich vom Apparat der Partei wie von falschen Freunden trennen und einen Neuanfang jenseits von hierarchiezerfressenen Theorien wagen, auf einer durch und durch moralischen, individual-ethischen Grundlage. In einer interessanten Wendung verbindet Sen diesen Neuanfang mit einem Rückbezug auf die antikoloniale Unabhängigkeitsbewegung.
Bis es aber soweit ist, entwickelt der Film eine komplexe filmpoetische Dialektik. Auf der einen Seite ist immer das Appartment, die Gegenwart des Revolutionärs, der sich seine Handlungsmacht vom Apparat beschneiden lässt, der in den schön eingerichteten Zimmern abhängt und ein wenig mit deren Besitzerin flirtet, im Wissen, dass aus diesem Flirt genauso wenig folgen wird, wie aus seinem verwalteten Aktivismus. Und eben auch: die bildrealistische Gegenwart des Films. Alles, was interessant, produktiv, progressiv wäre, ist auf der anderen Seite, auf Seiten der Vergangenheit, des Traums, auf Seiten des filmpoetisch Uneigentlichen: der Rückblenden, der Montagesequenzen, der Newsreelausschnitte, die in den Film eindringen, der Musik, die immer wieder antreibt, rhythmisiert, auffordert, solange, bis sich schließlich doch eine Fluchtlinie auftut.
Labels:
Indien,
Mrinal Sen,
Naxaliten,
Padatik,
politisches Kino
Wednesday, October 07, 2009
Bioscope, K.M. Madhusudhanan, 2008
Nach einmaligem Ansehen traue ich der eigenen Begeisterung für diesen Film noch nicht vorbehaltlos über den Weg. Zumindest aber ist Bioscope ein Film, der mich wie aus dem Nichts hart, schwer und tief getroffen hat. Das indische Kino ist für mich ein schwieriges Objekt. Ohne erklären zu können, weshalb, bin ich mir ziemlich sicher, dass die schönsten Filme der Welt indische Filme sind, aber bis heute habe ich wenig unternommen, diesen Schatz für mich zu bergen. Vielleicht, weil ich nicht weiß, wo ich anfangen soll: Im Grunde laufen mehrere Nationalkinematografien parallel, außerdem gibt es eine auf den ersten Blick recht strikte Trennung zwischen kommerziellem und unabhängigen Kino - die auf den zweiten Blick vermutlich nicht so einfach aufrecht zu erhalten wäre. Andererseits verhält es sich in China auch nicht anders und da hält mich das auch nicht ab. Wie dem auch sei, ich kenne bislang nur ein gutes halbes Dutzend waschechte Bollywoodfilme und auch nicht viel mehr indisches Autorenkino.
Bioscope ist ein tamilischer Film, der Regisseur ist von Haus Maler, das sieht man dem Film an. Sein Film ist einer über das Kino. Und ein Film über die bleierne Zeit der britischen Kolonisierung Indiens. Beides kommt zusammen, wenn die Kolonisierten auf die handgekurbelten Filme aus dem Bioscope starren. Wenn der Lumieresche Zug in den Bahnhof fährt, ergreift niemand die Flucht. Die Augen bleiben starr auf das flackernde Schwarz-Weiß der hier tatsächlich völlig stummen Leinwand gerichtet. Auch, wenn Wienes Caligari oder Filme des indischen Stummfilmpioniers Dadasaheb Phalke projiziert werden. Nur Diwakaran wendet den Blick und schaut von den Bildern auf den Apparat, der sie produziert, sowie auf Dupont, den Europäer, der die sich noch nicht sehr flüssig bewegenden Bilder nach Indien gebracht hat. Diese eine Kopfbewegung ist schärfere und treffendere Ideologiekritik als jede Apparatustheorie. Diwakaran tritt später an die Stelle Duponts und kurbelt selbst.
Mehr passiert eigentlich nicht: zuerst kurbelt Dupont, danach Diwakaran. Dazwischen Gespräche über die neue Technik, die den Dorfbewohnern eher schwarze denn weiße Magie ist. Und ein eher angerissenes als durcherzähltes Melodram um Diwakaran und seine kranke Frau Nalini, die einst, wie mehrere intensive Rückblenden offenbaren, einen Weißen, einen Kolonisator am Strand entdeckt und sich von diesem Erlebnis nie wieder erholt zu haben scheint. Infiziert vom Fremden siecht sie dahin.
Vor allem aber vollzieht Bioscope: Stillstellungen. Gesichter in Großaufnahme am Strand, vor Lehmstraßen, alles feucht, trüb, matt, platt, träge, bleiern außer wenn es um Dorftratsch geht. Traurige Lieder, deren Texte eigentlich keine Untertitel benötigten. Die Stillstellungen sind umso deprimierender, als sich zwischen ihnen dann doch das eine oder andere entwickelt, nur eben nichts Produktives. Stillstellungen, die in den Flow eines fremdbestimmten Alltags eingelassen sind. Stillstellungen als Reaktion auf die Fremdbestimmung. Bioscope ist einer der eindrücklichsten Filme über Kolonialismus, den ich bisher gesehen habe, eben, weil es kein außen der Ohnmacht der Kolonisierten gibt, keine Handlungsmacht, die stellvertretend für die Ohnmacht agiert.
Ich bekomme die großartigen Bilder noch nicht hinreichend auf Begriffe, ich bekomme sie nicht soweit, wie ich sie gerne hätte (allzu weit möchte ich sie auch wieder nicht bringen, sie sollen schließlich bleiben...). Aber darum geht es ihnen sicher: Kino und Kolonialismus. Das Kino treibt nur eines dieser Gesichter, das Diwakarans, aus der Trübe. Wo das Gesicht landet, bleibt unklar, Diwakaran begehrt nicht auf, durchläuft keinen Erkenntnisprozess. Vielleicht ist die Frage falsch: Diwakaran landet nirgends, er handelt nicht, er muss sich nur nicht mehr für die Unmöglichkeit des Handelns rechtfertigen, denn: Er kann projizieren. Während Nalini sich in ihren Rückblenden verzehrt, Bilder in sich einschließt, in denen jede Welle in Zeitlupe hoffnungslos überdeterminiert über den Sand kriecht, kann Diwakaran sich im Akt des Projizierens völlig entäußern. An Heide Schlüpmanns Buch Ungeheure Einbildungskraft (bei dem ich mir freilich nach wie vor in jeder Hinsicht unsicher bin) denke ich jetzt, hinterher, wenn ich an diese Projektionen denke:
Bioscope ist ein tamilischer Film, der Regisseur ist von Haus Maler, das sieht man dem Film an. Sein Film ist einer über das Kino. Und ein Film über die bleierne Zeit der britischen Kolonisierung Indiens. Beides kommt zusammen, wenn die Kolonisierten auf die handgekurbelten Filme aus dem Bioscope starren. Wenn der Lumieresche Zug in den Bahnhof fährt, ergreift niemand die Flucht. Die Augen bleiben starr auf das flackernde Schwarz-Weiß der hier tatsächlich völlig stummen Leinwand gerichtet. Auch, wenn Wienes Caligari oder Filme des indischen Stummfilmpioniers Dadasaheb Phalke projiziert werden. Nur Diwakaran wendet den Blick und schaut von den Bildern auf den Apparat, der sie produziert, sowie auf Dupont, den Europäer, der die sich noch nicht sehr flüssig bewegenden Bilder nach Indien gebracht hat. Diese eine Kopfbewegung ist schärfere und treffendere Ideologiekritik als jede Apparatustheorie. Diwakaran tritt später an die Stelle Duponts und kurbelt selbst.
Mehr passiert eigentlich nicht: zuerst kurbelt Dupont, danach Diwakaran. Dazwischen Gespräche über die neue Technik, die den Dorfbewohnern eher schwarze denn weiße Magie ist. Und ein eher angerissenes als durcherzähltes Melodram um Diwakaran und seine kranke Frau Nalini, die einst, wie mehrere intensive Rückblenden offenbaren, einen Weißen, einen Kolonisator am Strand entdeckt und sich von diesem Erlebnis nie wieder erholt zu haben scheint. Infiziert vom Fremden siecht sie dahin.
Vor allem aber vollzieht Bioscope: Stillstellungen. Gesichter in Großaufnahme am Strand, vor Lehmstraßen, alles feucht, trüb, matt, platt, träge, bleiern außer wenn es um Dorftratsch geht. Traurige Lieder, deren Texte eigentlich keine Untertitel benötigten. Die Stillstellungen sind umso deprimierender, als sich zwischen ihnen dann doch das eine oder andere entwickelt, nur eben nichts Produktives. Stillstellungen, die in den Flow eines fremdbestimmten Alltags eingelassen sind. Stillstellungen als Reaktion auf die Fremdbestimmung. Bioscope ist einer der eindrücklichsten Filme über Kolonialismus, den ich bisher gesehen habe, eben, weil es kein außen der Ohnmacht der Kolonisierten gibt, keine Handlungsmacht, die stellvertretend für die Ohnmacht agiert.
Ich bekomme die großartigen Bilder noch nicht hinreichend auf Begriffe, ich bekomme sie nicht soweit, wie ich sie gerne hätte (allzu weit möchte ich sie auch wieder nicht bringen, sie sollen schließlich bleiben...). Aber darum geht es ihnen sicher: Kino und Kolonialismus. Das Kino treibt nur eines dieser Gesichter, das Diwakarans, aus der Trübe. Wo das Gesicht landet, bleibt unklar, Diwakaran begehrt nicht auf, durchläuft keinen Erkenntnisprozess. Vielleicht ist die Frage falsch: Diwakaran landet nirgends, er handelt nicht, er muss sich nur nicht mehr für die Unmöglichkeit des Handelns rechtfertigen, denn: Er kann projizieren. Während Nalini sich in ihren Rückblenden verzehrt, Bilder in sich einschließt, in denen jede Welle in Zeitlupe hoffnungslos überdeterminiert über den Sand kriecht, kann Diwakaran sich im Akt des Projizierens völlig entäußern. An Heide Schlüpmanns Buch Ungeheure Einbildungskraft (bei dem ich mir freilich nach wie vor in jeder Hinsicht unsicher bin) denke ich jetzt, hinterher, wenn ich an diese Projektionen denke:
Keine Definition, sondern reine Projektion der "Leibeigenschaft", stellt sie keinen Angriff auf die Gesellschaft dar, sondern eine List des träumenden Lebens, seinem Dasein eine äußere Wirklichkeit zu geben oder im Bergsonschen Sinne: eine Möglichkeit, die nicht auf Verwirklichung zielt.
Labels:
Bioscope,
Caligari,
Filmgeschichte,
Indien,
Kolonialismus,
Lumiere,
Madhusadhanan,
Metafilm,
Phalke,
world cinema
Saturday, October 03, 2009
The Time Traveler's Wife, Robert Schwentke, 2009
Was vielleicht kein Kino so gut kann wie Hollywood: seine eigenen Funktionsmechanismen zu literalisieren und direkt Film werden zu lassen.
Jüngstes Beispiel ist Robert Schwentkes zweiter amerikanischer Film The Time Traveler's Wife. Konsequent übersetzt Schwentke ein Science-Fiction-Süjet ins Melodramatische. Für die Paradoxien des Zeitreisens interessiert sich der Film nicht ein bisschen. Einmal wird erklärt, dass Eingriffe in die Vergangenheit nutzlos seien, nach einem Ausflug in die Zukunft Lottomillionen einzukassieren ist aber ok. Das Zeitreisen dient nur einem Zweck: der melodramatischen Aufladung der Biografie Eric Banas respektive Henry DeTambles. Die schreitet, das ist der erste Trick an der Sache, eigentlich ganz konventionell linear voran. Unterbrochen wird diese Linearität nur von kurzen und - das ist der zweite Trick - nicht kontrollierbaren Ausfügen nach hinten oder nach vorne. Meist landet Henry dabei direkt auf dem eigenen Zeitstrahl, mischt sich ins Leben seiner späteren / früheren Geliebten ein und produziert jede Menge melodramatisches Bewußtstein.
Laut Linda Williams ist das Strukturprinzip des Melodramas das "too late": Leidende (Frauen-)Körper werden mit irreparablen Situationen konfrontiert, das Glück liegt in der Vergangenheit, beziehungsweise der Rückblende. Schwentkes Film gelingt es, dieses Prinzip gleichzeitig zu invertieren und zu intensivieren: Das Zeitreisen ist eben nicht in der Lage, das "too late" zu kurieren, sondern es infiziert im Gegenteil bereits die (glückliche) Gegenwart mit eben diesem, dem "too late", das eigentlich erst noch bevorsteht. Der Film schenkt seinen Figuren eben jenes Wissen um den Ausgang des Rührstücks, das der genrekundige Zuschauer ohnehin schon besitzt. "Ich weiß, dass bald alles zu spät sein wird."
(Schön am Film ist, nebenbei bemerkt, auch der Zeitreise-Special-effect. Wenn Bana sich in Richtung Vergangenheit / Zukunft aufmacht, löst er sich in Sekundenschnelle in Luft auf. Im Moment des Auflösens verschwindet die Illusion des Dreidimensionalen Raums, Bana wird ganz zweidimensionales Bild: Schwentke setzt keine aufwändigen Digitaleffekte ein, die ein dahinschwindendes Körpervolumen simulieren könnten, sondern er lässt einfach Stück für Stück Banas Abbild transparent werden, so, als würde man ein (zweidimensionalen) Bild von den Rändern her beschneiden.)
Jüngstes Beispiel ist Robert Schwentkes zweiter amerikanischer Film The Time Traveler's Wife. Konsequent übersetzt Schwentke ein Science-Fiction-Süjet ins Melodramatische. Für die Paradoxien des Zeitreisens interessiert sich der Film nicht ein bisschen. Einmal wird erklärt, dass Eingriffe in die Vergangenheit nutzlos seien, nach einem Ausflug in die Zukunft Lottomillionen einzukassieren ist aber ok. Das Zeitreisen dient nur einem Zweck: der melodramatischen Aufladung der Biografie Eric Banas respektive Henry DeTambles. Die schreitet, das ist der erste Trick an der Sache, eigentlich ganz konventionell linear voran. Unterbrochen wird diese Linearität nur von kurzen und - das ist der zweite Trick - nicht kontrollierbaren Ausfügen nach hinten oder nach vorne. Meist landet Henry dabei direkt auf dem eigenen Zeitstrahl, mischt sich ins Leben seiner späteren / früheren Geliebten ein und produziert jede Menge melodramatisches Bewußtstein.
Laut Linda Williams ist das Strukturprinzip des Melodramas das "too late": Leidende (Frauen-)Körper werden mit irreparablen Situationen konfrontiert, das Glück liegt in der Vergangenheit, beziehungsweise der Rückblende. Schwentkes Film gelingt es, dieses Prinzip gleichzeitig zu invertieren und zu intensivieren: Das Zeitreisen ist eben nicht in der Lage, das "too late" zu kurieren, sondern es infiziert im Gegenteil bereits die (glückliche) Gegenwart mit eben diesem, dem "too late", das eigentlich erst noch bevorsteht. Der Film schenkt seinen Figuren eben jenes Wissen um den Ausgang des Rührstücks, das der genrekundige Zuschauer ohnehin schon besitzt. "Ich weiß, dass bald alles zu spät sein wird."
(Schön am Film ist, nebenbei bemerkt, auch der Zeitreise-Special-effect. Wenn Bana sich in Richtung Vergangenheit / Zukunft aufmacht, löst er sich in Sekundenschnelle in Luft auf. Im Moment des Auflösens verschwindet die Illusion des Dreidimensionalen Raums, Bana wird ganz zweidimensionales Bild: Schwentke setzt keine aufwändigen Digitaleffekte ein, die ein dahinschwindendes Körpervolumen simulieren könnten, sondern er lässt einfach Stück für Stück Banas Abbild transparent werden, so, als würde man ein (zweidimensionalen) Bild von den Rändern her beschneiden.)
Labels:
Hollywood,
Melo,
Robert Schwentke,
Science Fiction,
The Time Traveler's Wife,
USA
Tuesday, September 22, 2009
Eine Stadt wird erpresst, Dominik Graf, 2006
Den Lobeshymnen (auch hier) kann ich mich nur voll und ganz anschließen: was für ein Film!
Land erpresst Stadt, Vergangenheit erpresst Gegenwart. Ganz abgesehen vom handwerklichen Glanz, von den schlüssigen, souveränen Italothrillerallusionen vor allem im ersten Teil, in Leipzig, die Zooms, die Härte auf den Straßen, ganz abgesehen auch vom Gestischen, von der Körpersprache, die mit dem wahnwitzigen Tempo des Schnitts mühelos mithält, abgesehen auch von kleinen Meisterstücken wie der Verfolgungsjagd im Wald oder dem Fußballspiel am Ende: Wo hätte sich das deutsche Kino der letzten Jahre so für die Texturen, für die Materialität Deutschlands interessiert? Graf präpariert nicht vorgefundene Texturen, er rekonstruiert sie, generiert immer neue Muster, Szene für Szene, Einstellung für Einstellung. Dass auch diese Methode einem sozialen Inhalt dienen kann: Das muss man mir an dieser Stelle einfach glauben. So gut kenne ich mich bei Graf noch nicht aus; für mich ist die naheliegendste Spur sein Deutschland 09-Beitrag Der Weg, den wir nicht zusammen gehen: Bausubstanz und ihre Hilflosigkeit gegen die Geschichte:
Wenn der Thrillerplot sich aufs Land verlagert, die großartige Helikopterkamerafahrt vom Tagebau über die Dächer des Dorfes. Die Tagebaugrube, die im Finale noch einmal auftauchen wird:
Nach der Schießübung (ein weiteres kleines Meisterstück) ein delirierender Schwenk über die Kulturlandschaft, kaltes, klares Licht, matte Farben:
Im Hotel (Julia Blankenburg im Hotelzimmer, sie greift einen Haufen Geldscheine, probiert aus, wie es sich anfühlt, sie in die Luft zu werfen), die wiederum kalte, klare Tiefe des Hotelflurs:
Das großartigste Bild des Films, isoliert, in gewisser Weise, obwohl narrativ motiviert, ein unerklärtes Bild, nicht ganz einholbar durch die Narration: ein Pferd vor Windrädern, eine völlig verquere, durchgeknallte Form von Idylle (man achte auf den Regenbogenansatz), im Film machen die im echten Leben stets bloß landschaftsverschandelnden Windräder plötzlich ganz und gar Sinn:
Land erpresst Stadt, Vergangenheit erpresst Gegenwart. Ganz abgesehen vom handwerklichen Glanz, von den schlüssigen, souveränen Italothrillerallusionen vor allem im ersten Teil, in Leipzig, die Zooms, die Härte auf den Straßen, ganz abgesehen auch vom Gestischen, von der Körpersprache, die mit dem wahnwitzigen Tempo des Schnitts mühelos mithält, abgesehen auch von kleinen Meisterstücken wie der Verfolgungsjagd im Wald oder dem Fußballspiel am Ende: Wo hätte sich das deutsche Kino der letzten Jahre so für die Texturen, für die Materialität Deutschlands interessiert? Graf präpariert nicht vorgefundene Texturen, er rekonstruiert sie, generiert immer neue Muster, Szene für Szene, Einstellung für Einstellung. Dass auch diese Methode einem sozialen Inhalt dienen kann: Das muss man mir an dieser Stelle einfach glauben. So gut kenne ich mich bei Graf noch nicht aus; für mich ist die naheliegendste Spur sein Deutschland 09-Beitrag Der Weg, den wir nicht zusammen gehen: Bausubstanz und ihre Hilflosigkeit gegen die Geschichte:
Wenn der Thrillerplot sich aufs Land verlagert, die großartige Helikopterkamerafahrt vom Tagebau über die Dächer des Dorfes. Die Tagebaugrube, die im Finale noch einmal auftauchen wird:
Nach der Schießübung (ein weiteres kleines Meisterstück) ein delirierender Schwenk über die Kulturlandschaft, kaltes, klares Licht, matte Farben:
Im Hotel (Julia Blankenburg im Hotelzimmer, sie greift einen Haufen Geldscheine, probiert aus, wie es sich anfühlt, sie in die Luft zu werfen), die wiederum kalte, klare Tiefe des Hotelflurs:
Das großartigste Bild des Films, isoliert, in gewisser Weise, obwohl narrativ motiviert, ein unerklärtes Bild, nicht ganz einholbar durch die Narration: ein Pferd vor Windrädern, eine völlig verquere, durchgeknallte Form von Idylle (man achte auf den Regenbogenansatz), im Film machen die im echten Leben stets bloß landschaftsverschandelnden Windräder plötzlich ganz und gar Sinn:
Labels:
DDR,
Deutschland,
Dominik Graf,
Eine Stadt wird erpresst,
Thriller
Thursday, September 17, 2009
The Shield: Leverage
Noch einmal The Shield.
Müsste ich die sieben Staffeln auf einen Begriff bringen, wäre das "leverage". Ein englisches Wort, das ich vorher kaum kannte und dessen exakte Bedeutung ich bestenfalls aus dem Zusammenhang des jeweiligen Satzes erschließen konnte. In The Shield taucht das Wort andauernd auf, gefühlt nicht nur in jeder Folge, sondern alle fünf Minuten. Ein online-Wörterbuch listet "leverage" als:
Einfluss
Druckmittel
Hebelanordnung
In The Shield ist die zweite Bedeutung zentral: Druckmittel. Will man in LA Farmington irgend etwas erreichen, so benötigt man Druckmittel. Nicht ein einzelnes, sondern ein ganzes System aus Druckmitteln. Die Serie und die Welt, die sie erschafft, wird von diesen Druckmitteln, vom "leverage", strukturiert. "Leverage" funktioniert in der Logik der Serie wie eine Art Universalwährung: Alles kann "leverage" werden, alles ist aber auch fürs Individuum (zumindest für das, das in der Serie bestehen will) perfekt und rückstandfrei auf "leverage" reduzierbar. "Leverage kann sein: Echtes Geld genauso wie Sex oder Liebe, nackte Gewalt, genauso wie belastende Dokumente oder Wissen. Utilitarismus in Reinform, wer mehr "leverage" hat, gewinnt, ale anderen Kategorien, selbst im amerikanischen Film- und Fernsehschaffen so zentrale wie die Familie, verwandeln sich Schritt für Schritt, Folge für Folge, Staffel für Staffel, in Spielmaterial - und in potentielles "leverage".
Müsste ich die sieben Staffeln auf einen Begriff bringen, wäre das "leverage". Ein englisches Wort, das ich vorher kaum kannte und dessen exakte Bedeutung ich bestenfalls aus dem Zusammenhang des jeweiligen Satzes erschließen konnte. In The Shield taucht das Wort andauernd auf, gefühlt nicht nur in jeder Folge, sondern alle fünf Minuten. Ein online-Wörterbuch listet "leverage" als:
Einfluss
Druckmittel
Hebelanordnung
In The Shield ist die zweite Bedeutung zentral: Druckmittel. Will man in LA Farmington irgend etwas erreichen, so benötigt man Druckmittel. Nicht ein einzelnes, sondern ein ganzes System aus Druckmitteln. Die Serie und die Welt, die sie erschafft, wird von diesen Druckmitteln, vom "leverage", strukturiert. "Leverage" funktioniert in der Logik der Serie wie eine Art Universalwährung: Alles kann "leverage" werden, alles ist aber auch fürs Individuum (zumindest für das, das in der Serie bestehen will) perfekt und rückstandfrei auf "leverage" reduzierbar. "Leverage kann sein: Echtes Geld genauso wie Sex oder Liebe, nackte Gewalt, genauso wie belastende Dokumente oder Wissen. Utilitarismus in Reinform, wer mehr "leverage" hat, gewinnt, ale anderen Kategorien, selbst im amerikanischen Film- und Fernsehschaffen so zentrale wie die Familie, verwandeln sich Schritt für Schritt, Folge für Folge, Staffel für Staffel, in Spielmaterial - und in potentielles "leverage".
Labels:
Los Angeles,
Polizeifilm,
Quality TV,
The Shield,
USA
Tuesday, September 15, 2009
The Shield 7.1
"...we must avoid the idea that Los Angeles is ultimately just the mirror of Narcissus, or a huge disturbance in the Maxwellian ether. Beyond its myriad rhetorics and mirages, it can be presumed, that the city actually exists." (Mike Davis)
In The Shield war die Existenz der Stadt Los Angeles sieben Staffeln lang akut bedroht. Freilich geht es der Serie weniger um die "LA Freeways" oder um das Schwinden der Distanz im Bonaventure Hotel, eher aktualisiert und radikalisiert sie ältere Metaphern wie die vom Großstadtdschungel. Gefilmt wird vor Ort, auf der Straße, doch die Unmittelbarkeit der Handkamera verbirgt die Stadt eher, als dass sie sie erschließt. Ein wilder, rein synthetischer Bilderbogen aus Gangsterrapvideoklischees.
Ganz unerwartet am Ende der ersten Episode der siebten Staffel dann doch noch ein establishing shot, ein Versuch, die Totalität der Stadt Los Angeles einzufangen:
Ein unförmiges, zentral vage angeschwollenes Lichtermeer, vor dem das Strike Team, beziehungsweise dessen Überreste, einen Pakt erneuert, von dem man bereits lange weiß, dass er nicht mehr zu retten ist. Ein paranoides Netz spannt die Serie über dieses Lichtermeer, in den letzten beiden Staffeln entwickelt sie eine Verschwörungstheorie, nach der lateinamerikanische Drogenkartelle drauf und dran sind, dieses Lichtermeer mit Haut und Haaren zu übernehmen.
Die siebte Staffel bleibt atemberaubend gut geschrieben, freilich kann sie nicht ganz Niveau und Tempo der beiden vorherigen halten. Vor allem aber konnte ich immer weniger über die inzwischen nicht nur paranoide, sondern auch offen reaktionäre und streckenweise kaum noch verbrämt rassistische Schlagseite der Unternehmung hinweg sehen. Irgendwie doch gut, dass diese Serie, die in mancher Hinsicht tatsächlich ausschaut wie ein Relikt der Bush-Ära, zu ende gegangen ist.
In The Shield war die Existenz der Stadt Los Angeles sieben Staffeln lang akut bedroht. Freilich geht es der Serie weniger um die "LA Freeways" oder um das Schwinden der Distanz im Bonaventure Hotel, eher aktualisiert und radikalisiert sie ältere Metaphern wie die vom Großstadtdschungel. Gefilmt wird vor Ort, auf der Straße, doch die Unmittelbarkeit der Handkamera verbirgt die Stadt eher, als dass sie sie erschließt. Ein wilder, rein synthetischer Bilderbogen aus Gangsterrapvideoklischees.
Ganz unerwartet am Ende der ersten Episode der siebten Staffel dann doch noch ein establishing shot, ein Versuch, die Totalität der Stadt Los Angeles einzufangen:
Ein unförmiges, zentral vage angeschwollenes Lichtermeer, vor dem das Strike Team, beziehungsweise dessen Überreste, einen Pakt erneuert, von dem man bereits lange weiß, dass er nicht mehr zu retten ist. Ein paranoides Netz spannt die Serie über dieses Lichtermeer, in den letzten beiden Staffeln entwickelt sie eine Verschwörungstheorie, nach der lateinamerikanische Drogenkartelle drauf und dran sind, dieses Lichtermeer mit Haut und Haaren zu übernehmen.
Die siebte Staffel bleibt atemberaubend gut geschrieben, freilich kann sie nicht ganz Niveau und Tempo der beiden vorherigen halten. Vor allem aber konnte ich immer weniger über die inzwischen nicht nur paranoide, sondern auch offen reaktionäre und streckenweise kaum noch verbrämt rassistische Schlagseite der Unternehmung hinweg sehen. Irgendwie doch gut, dass diese Serie, die in mancher Hinsicht tatsächlich ausschaut wie ein Relikt der Bush-Ära, zu ende gegangen ist.
Labels:
Los Angeles,
Polizeifilm,
Quality TV,
The Shield,
USA
Monday, September 14, 2009
Räume, Orte
Im amerikanischen Kino sind die Räume in mancher Hinsicht unspezifisch, das stimmt schon. Sie abstrahieren von der Geografie, sowohl im großen Ganzen, wie auch im innerstädtischen Detail. Andererseits sind die Orte, die das amerikanische Kino entwift, in sozialer Hinsicht höchst spezifisch: Das Diner, die High School mit ihrer intern aufgesplitteten Raumlogik, die Suburb usw. All diese Orte sind soziologisch, nicht geografisch definiert. Soziologisch aber sehr exakt. Selbst auf der Landkarte einwandfrei nachweisbares wie "Las Vegas" gerinnt eher zum soziologischen als zum geografischen Klischee. Sowohl soziologisch als auch geografisch definierte Räume werden nur in absoluten Ausnahmefällen, mit ungeheurer Kraftsanstrengung entworfen: The Wire, Route One USA.
Vielleicht lässt sich, allen Widerständen gegen solche Verallgemeinerungen zum Trotz, eine Reihung der Nationalkinematografien aufstellen. Einbezogen habe ich nur Länder, aus denen ich ausreichend (soll heißen: mehrere hundert) Filme gesehen habe.
(klassisches) japanisches Kino: die japanische Architektur als der unspezifische Ort par excellence. Keine Fixpunkte. Schiebetüren und Wandschirme dienen sich jedem Raum, jedem Milieu an. Jeder Raum ist provisorisch, bleibt Bühne.
europäische Kinematografien (Frankreich, Deutschland, eventuell Italien, GB): Raum ist geografisch spezifisch (Paris / Provinz, Tatort, Dialekt), soziologisch unspezifisch, Fetischisierung des Lokalen als autarker Mikrokosmos, aber auch: Fetischisierung des profilmischen Raums in cinema verite und Gefolge.
amerikanisches Kino: geografisch unspezifisch, soziologisch spezifisch.
(Mögliche weitere Positionen: Third Cinema, Hongkong, beide überwinden den Gegensatz eventuell auf unterschiedliche Weise)
Vielleicht lässt sich, allen Widerständen gegen solche Verallgemeinerungen zum Trotz, eine Reihung der Nationalkinematografien aufstellen. Einbezogen habe ich nur Länder, aus denen ich ausreichend (soll heißen: mehrere hundert) Filme gesehen habe.
(klassisches) japanisches Kino: die japanische Architektur als der unspezifische Ort par excellence. Keine Fixpunkte. Schiebetüren und Wandschirme dienen sich jedem Raum, jedem Milieu an. Jeder Raum ist provisorisch, bleibt Bühne.
europäische Kinematografien (Frankreich, Deutschland, eventuell Italien, GB): Raum ist geografisch spezifisch (Paris / Provinz, Tatort, Dialekt), soziologisch unspezifisch, Fetischisierung des Lokalen als autarker Mikrokosmos, aber auch: Fetischisierung des profilmischen Raums in cinema verite und Gefolge.
amerikanisches Kino: geografisch unspezifisch, soziologisch spezifisch.
(Mögliche weitere Positionen: Third Cinema, Hongkong, beide überwinden den Gegensatz eventuell auf unterschiedliche Weise)
Monday, August 17, 2009
in passing: Locarno 2009
liegengebliebenes
Sham moh / At the End of Daybreak (Ho Yuhang, 2009)
In der ersten Einstellung fällt etwas ins Wasser. Was das ist, kann man nicht genau erkennen. Wie in Götz Spielmanns Revanche wird erst kurz vor Schluss geklärt was da warum ins Wasser geworfen wurde. Bis dahin hat der Film einige, bei weitem nicht immer vorhersehbare Wendungen genommen. In schönen, tendenziell dunkel-warmen Bildern entwirft Ho Yuhan zunächst ausführlich den Ort: eine malaiische Kleinstadt, dann aus diesem heraus die Liebesgeschichte zwischen dem 23-jährigen Slacker Chai und der 15-jährigen Schülerin Ying. Dazwischen: Tiere; Mäuse, Katzen, Fische. Wenig bereitet einen auf das vor, was passieren wird, wenn Yings Eltern ihre Anti-Baby-Pille entdecken und die Beziehung auffliegt.
At the End of Daybreak hält sich an die Regeln des panasiatischen Kunstkinos, allerdings tut er dies auf unprätentiöse, entspannte und trotz allem zumindest etwas eigensinnige, humorvolle Art (in einer großartigen Einstellung taucht wie aus dem nichts mitten im malaiischen Kleinbürgerwohnzimmer ein Weltraum-Videospiel auf).
Wenn da alles am Ende doch nicht so ganz funktioniert, dann liegt das wahrscheinlich am Mangel an Konsequenz in den einzelnen Filmabschnitten, deren Positionierung zueinander doch ein wenig unklar bleibt. Ähnlich wie in Revanche in letzter Konsequenz manches doch überdefiniert ist, bleibt hier vieles unterdefiniert.
Un transport en commun, Dyana Gaye, 2009
Ein mittellanges Musical aus Senegal. Der Plot bleibt spärlich: Ein Sammeltaxi fährt von Dakar nach St. Louis, im Mittelpunkt stehen der Taxifahrer, die Passagiere mit ihren jeweils sehr unterschiedlichen Interessenlagen und ihre Beziehungen untereinander. Das erste Bild zeigt einen chaotischen Parkplatz. Es geht dem Film dann darum, ein wenig - aber wirklich nur wenig - Ordnung in dieses Chaos zu bringen, einige Orientierungspunkte im gegenwärtigen, postkolonialen Schwarzafrika zu setzen. Kurz darauf ertönt aus einem Autoradio Opernmusik und bald danach taucht das Alleinstellungsmerkmal des Films auf: die Musicalsequenzen mitsamt Tanzchoreografie. Diese beginnen jeweils fast aus dem Nichts, als Einleitung dient zB ein vehementer Schlag mit der Faust aufs Taxi. Musikalisch hölt Gaye, die die größtenteils sehr gelungenen Lieder allesamt selbst geschrieben hat Abstand von world-music-Ethno-Blödsinn und orientiert sich an Swing- und Pop-Formeln. Die Szenen bleiben trotz des dezidiert Alltäglichen an ihnen immer so artifiziell, dass sie mehr zeigen als nur Afrikaner, die ihre naturgegebene Neigung zum Tanz ausleben.
Ganz unterschiedliches stellt Gaye mit diesen Sequenzen an: Mal gibt es aufwändige Tanz-Choreografien, mal singt einer in einer wehmütigen Ballade von Italien, dem Land seiner Träume, während er gleichzeitig eingequetscht bleibt im engen Taxi, das wiederum eingequetscht bleibt im hoffnungslos aus dem Ufer laufendenen senegalesischen Straßenverkehr. Es gibt auch Trauer- und Liebeslieder (an letzterem ist ein Weißer beteiligt, der ethnografische Feldforschung zu betreiben scheint). Am Ende löst sich der Film im Straßenalltag von St. Louis auf.
Auch Un transport en commun hat mich nicht völlig überzeugt, meine Unsicherheit rührt vielleicht daher, dass der Film trotzt der erwähnten Raffinesse der Musicalnummern sich dem exotizisierenden (?) Blick etwas zu leicht fügen könnte. Aber andererseits: Dieser Blick ist einer des europäischen Betrachters, einer, für den der Film nichts kann und vor dem er sich eigentlich nicht zu verantworten braucht.
Waga seishun no Arukadia / Space Pirate Captain Harlock: Arcadia of My Youth, Tomoharu Katsumata, 1982
Ein Film der Anime-Retrospektive. Ganz großartig der Anfang: zunächst nur schwarze Leinwand, die ab und an erhellt wird durch einige Blitze, dann das Cockpit eines Kampfflugzeugs, in einer langen, rein poetischen Szene fliegt das Flugzeug über Wolkenverhangene Berge, dann tauchen halluzinatorische Rosen auf (im Animationsfilm allerdings gibt es auf der Bildebene von vorn herein keinen ontologischen Unterschied zwischen realem und halluzinatorischen und genau das macht derartige Szenen so großartig), am Ende beginnt der Berg zu lachen.
Im Anschluss entwickelt der Film einen aufwändigen space-opera-Plot, verteilt über unterschiedliche Planeten. Die anscheinend tendenziell ausufernde fiktionale Welt, in der der Film spielt und die hauptsächlich in Fernsehserien ausgeführt wird, kenne ich ansonsten nicht. Es scheint sich um eine sehr sonderbare zu handeln. Darauf verweist vor allem eine Rückblende in das titelgebende Arkadia, das eine (irritierenderweise positiv konnotierte) Version Nazideutschlands zu sein scheint. Urplötzlich tauchen Hakenkreuze auf dem Flugzeug des Helden auf, es gibt dann eine - wiederum hervorragend inszenierte - Luftschlacht an der arkadisch-schweitzer Grenze ("Heiligenstadt"), die Explosionen schwappen als bloße rote Farbe über die Leinwand; wahnsinnig schön, diese Filme müssen unbedingt öfter auf 35mm gezeigt und gesehen werden!
Der restliche Film entwirft seine Geschichte mit jeder Menge Pathos, aber auch das hat mir fast immer gefallen. Es gibt eine Frau ohne Mund, aber mit Stimme, ein eindeutig phallisches Raumschiff, das eruptiv durch die Erde gen Himmel bricht, Menschen, die rückstandslos in Flammen verdunsten und vieles mehr. Manches davon lässt man als Franchise-Outsider über sich ergehen, ohne den blassesten Schimmer zu haben, was da genau vor sich geht ("Let's challenge the Owen-Stanley-Witch of Space!"), aber im großen und Ganzen hat mir der Film viel Freude bereitet.
Sham moh / At the End of Daybreak (Ho Yuhang, 2009)
In der ersten Einstellung fällt etwas ins Wasser. Was das ist, kann man nicht genau erkennen. Wie in Götz Spielmanns Revanche wird erst kurz vor Schluss geklärt was da warum ins Wasser geworfen wurde. Bis dahin hat der Film einige, bei weitem nicht immer vorhersehbare Wendungen genommen. In schönen, tendenziell dunkel-warmen Bildern entwirft Ho Yuhan zunächst ausführlich den Ort: eine malaiische Kleinstadt, dann aus diesem heraus die Liebesgeschichte zwischen dem 23-jährigen Slacker Chai und der 15-jährigen Schülerin Ying. Dazwischen: Tiere; Mäuse, Katzen, Fische. Wenig bereitet einen auf das vor, was passieren wird, wenn Yings Eltern ihre Anti-Baby-Pille entdecken und die Beziehung auffliegt.
At the End of Daybreak hält sich an die Regeln des panasiatischen Kunstkinos, allerdings tut er dies auf unprätentiöse, entspannte und trotz allem zumindest etwas eigensinnige, humorvolle Art (in einer großartigen Einstellung taucht wie aus dem nichts mitten im malaiischen Kleinbürgerwohnzimmer ein Weltraum-Videospiel auf).
Wenn da alles am Ende doch nicht so ganz funktioniert, dann liegt das wahrscheinlich am Mangel an Konsequenz in den einzelnen Filmabschnitten, deren Positionierung zueinander doch ein wenig unklar bleibt. Ähnlich wie in Revanche in letzter Konsequenz manches doch überdefiniert ist, bleibt hier vieles unterdefiniert.
Un transport en commun, Dyana Gaye, 2009
Ein mittellanges Musical aus Senegal. Der Plot bleibt spärlich: Ein Sammeltaxi fährt von Dakar nach St. Louis, im Mittelpunkt stehen der Taxifahrer, die Passagiere mit ihren jeweils sehr unterschiedlichen Interessenlagen und ihre Beziehungen untereinander. Das erste Bild zeigt einen chaotischen Parkplatz. Es geht dem Film dann darum, ein wenig - aber wirklich nur wenig - Ordnung in dieses Chaos zu bringen, einige Orientierungspunkte im gegenwärtigen, postkolonialen Schwarzafrika zu setzen. Kurz darauf ertönt aus einem Autoradio Opernmusik und bald danach taucht das Alleinstellungsmerkmal des Films auf: die Musicalsequenzen mitsamt Tanzchoreografie. Diese beginnen jeweils fast aus dem Nichts, als Einleitung dient zB ein vehementer Schlag mit der Faust aufs Taxi. Musikalisch hölt Gaye, die die größtenteils sehr gelungenen Lieder allesamt selbst geschrieben hat Abstand von world-music-Ethno-Blödsinn und orientiert sich an Swing- und Pop-Formeln. Die Szenen bleiben trotz des dezidiert Alltäglichen an ihnen immer so artifiziell, dass sie mehr zeigen als nur Afrikaner, die ihre naturgegebene Neigung zum Tanz ausleben.
Ganz unterschiedliches stellt Gaye mit diesen Sequenzen an: Mal gibt es aufwändige Tanz-Choreografien, mal singt einer in einer wehmütigen Ballade von Italien, dem Land seiner Träume, während er gleichzeitig eingequetscht bleibt im engen Taxi, das wiederum eingequetscht bleibt im hoffnungslos aus dem Ufer laufendenen senegalesischen Straßenverkehr. Es gibt auch Trauer- und Liebeslieder (an letzterem ist ein Weißer beteiligt, der ethnografische Feldforschung zu betreiben scheint). Am Ende löst sich der Film im Straßenalltag von St. Louis auf.
Auch Un transport en commun hat mich nicht völlig überzeugt, meine Unsicherheit rührt vielleicht daher, dass der Film trotzt der erwähnten Raffinesse der Musicalnummern sich dem exotizisierenden (?) Blick etwas zu leicht fügen könnte. Aber andererseits: Dieser Blick ist einer des europäischen Betrachters, einer, für den der Film nichts kann und vor dem er sich eigentlich nicht zu verantworten braucht.
Waga seishun no Arukadia / Space Pirate Captain Harlock: Arcadia of My Youth, Tomoharu Katsumata, 1982
Ein Film der Anime-Retrospektive. Ganz großartig der Anfang: zunächst nur schwarze Leinwand, die ab und an erhellt wird durch einige Blitze, dann das Cockpit eines Kampfflugzeugs, in einer langen, rein poetischen Szene fliegt das Flugzeug über Wolkenverhangene Berge, dann tauchen halluzinatorische Rosen auf (im Animationsfilm allerdings gibt es auf der Bildebene von vorn herein keinen ontologischen Unterschied zwischen realem und halluzinatorischen und genau das macht derartige Szenen so großartig), am Ende beginnt der Berg zu lachen.
Im Anschluss entwickelt der Film einen aufwändigen space-opera-Plot, verteilt über unterschiedliche Planeten. Die anscheinend tendenziell ausufernde fiktionale Welt, in der der Film spielt und die hauptsächlich in Fernsehserien ausgeführt wird, kenne ich ansonsten nicht. Es scheint sich um eine sehr sonderbare zu handeln. Darauf verweist vor allem eine Rückblende in das titelgebende Arkadia, das eine (irritierenderweise positiv konnotierte) Version Nazideutschlands zu sein scheint. Urplötzlich tauchen Hakenkreuze auf dem Flugzeug des Helden auf, es gibt dann eine - wiederum hervorragend inszenierte - Luftschlacht an der arkadisch-schweitzer Grenze ("Heiligenstadt"), die Explosionen schwappen als bloße rote Farbe über die Leinwand; wahnsinnig schön, diese Filme müssen unbedingt öfter auf 35mm gezeigt und gesehen werden!
Der restliche Film entwirft seine Geschichte mit jeder Menge Pathos, aber auch das hat mir fast immer gefallen. Es gibt eine Frau ohne Mund, aber mit Stimme, ein eindeutig phallisches Raumschiff, das eruptiv durch die Erde gen Himmel bricht, Menschen, die rückstandslos in Flammen verdunsten und vieles mehr. Manches davon lässt man als Franchise-Outsider über sich ergehen, ohne den blassesten Schimmer zu haben, was da genau vor sich geht ("Let's challenge the Owen-Stanley-Witch of Space!"), aber im großen und Ganzen hat mir der Film viel Freude bereitet.
Tuesday, August 04, 2009
Körpersprache
Die Welt der Filme Kiyoshi Kurosawas ist eine zutiefst, bis ins Innerste chaotische. Die naheliegendste Reaktion auf dieses Chaos ist, sich vor der Welt zu verbergen. Am liebsten im Mutterleib. Oder, weil das nicht mehr möglich ist, in der Foetusposition, zusammengekauert unter einer Decke:
Loft
Pulse
Bright Future
The Revenge 2: A Scar that Never Disappears
Eye of the Spider
Charisma
Serpent's Path
Der ethische Einsatz der Filme wäre dann: Raus aus dem Mutterleib! Stelle Dich dem Chaos, auch wenn es noch so schwer fällt. Und wage es selbst dann, wenn deshalb die Welt untergeht:
Charisma
Loft
Pulse
Bright Future
The Revenge 2: A Scar that Never Disappears
Eye of the Spider
Charisma
Serpent's Path
Der ethische Einsatz der Filme wäre dann: Raus aus dem Mutterleib! Stelle Dich dem Chaos, auch wenn es noch so schwer fällt. Und wage es selbst dann, wenn deshalb die Welt untergeht:
Charisma
Labels:
Horror,
Japan,
Kiyoshi Kurosawa,
Thriller,
Yakuza
Monday, August 03, 2009
Sunday, July 26, 2009
De cierta manera / One Way Or Another, Sara Gomez, 1977
Worum es im Streitgespräch am Anfang geht, kann man mangels Kontext noch nicht nachvollziehen. Kurz vor Schluss wird der Film dieses Streitgespräch identisch wiederholen, dann wird man Bescheid wissen und den Gesten und Worten gleichzeitig rückblickend und gegenwärtig Sinnzusammenhänge zuordnen können. Schauplatz ist eine Art Halle, in der sich eine Menschenmenge versammelt hat. Ein Mann steht auf und entschuldigt sich großspurig für irgend etwas, er redet über seine kranke Mutter und darüber, dass ein Mann, der sich nicht um seine Mutter kümmert, kein echter Mann sei. Anschließend erhebt sich ein anderer Mann, sichtlich erregt, beschimpft seinen Vorredner und wirft ihm Heuchelei vor. Schon hier erkennt man, dass seine Erregung zwar grundsätzlich gerechtfertigt sein mag, alleine aus der konkreten Situation heraus aber nicht ganz nachzuvollziehen ist. Es geht, kurz und gut, in diesem Gespräch nicht nur um den konkreten Anlass, sondern es geht um mehr.
Und deswegen genügt es dem Film im weiteren auch nicht, zu erklären, was es mit dem konkreten Anlass auf sich hat: eine Arbeiterversammlung in einem sozialistisch bewirtschafteten Unternehmen im revolutionären Kuba; der erste Mann hat den Arbeitsplatz unter dem Vorwand verlassen, seine kranke Mutter zu besuchen, war tatsächlich aber mit einer Geliebten auf einem pleasure trip; der zweite Mann sollte sein Alibi sein, stimmte aus Macho-Solidarität zunächst zu, hat es sich inzwischen aber anders und besser überlegt. Zusätzlich muss der Film auch erklären, was das "mehr" ist, um das es ihm auch geht. Es geht ihm um nichts weniger als um eine umfassende Gesellschaftsanalyse, die begleitet wird von einer geschichtsphilosophischen These.
Sara Gomez hat diesen Film kurz vor ihrem viel zu frühen Tod abgedreht, nach einem Drehbuch, das sie gemeinsam mit Tomas Gutierrez Alea und Julio Garcia Espinosa verfasste. Der Film vermischt Dokumentarisches und Fiktives weniger, als dass er beide Formen als getrennte Strukturen parallel laufen lässt. Im Zentrum steht die Spielhandlung um den Mann, der im Streitgespräch als zweiter spricht und eine Frau, die eine Beziehung mit ihm beginnt. Beide sind vom Bewusstseinswandel, der die Revolution für den Film vor allem anderen ist, unterschiedlich stark erfasst worden. Sie stärker als er, der er als Studienabbrecher Gefahr läuft, wieder den alten (vor allem sexuellen Rollen-)Mustern zu verfallen. Doch auch sie hat mit dem sozialen Abstieg zu kämpfen, den sie nach der emanzipationsbedingten Trennung von ihrem wohlhabenden Mann durchmachen musste.
Immer wieder greift dann eine (in der Version, die ich gesehen habe englischsprachige) Erzählerstimme ein und ergänzt in korrekt historisch-materialistischem Vokabular den historischen und sozialen Kontext, in dem die Spielszenen stehen. Bisweilen werden diese dokumentarischen Einschübe gar durch Zwischentitel vom restlichen Film abgetrennt. Außerdem interagieren die beiden Hauptfiguren mit anderen Akteuren, die in der Mehrzahl sich selbst spielen. So direkt wie nur wenige kubanische Revolutionsfilme, die ich kenne, verkettet der Film in diesen dokumentarischen Passagen ökonomische und sexuelle Ausbeutungspraktiken. Sara Gomez hebt das Faktum des real existierenden Sexismus nicht im Gerede über Haupt- und Nebenwidersprüchen auf. Im Gegenteil vertritt der Film die These, dass der historisch gewachsene und vererbte Sexismus unter Umständen schwerer zu beseitigen sein kann als ungleiche Besitzverhältnisse. Konsequenter noch als der Revolutionsklassiker Lucia erscheint mir der Film in diesem Punkt. Solas' Film zeigt eine Kontinuität von Frauenleiden, hat aber keine These für die spezielle Ausformung dieser Kontinuität.
Die dokumentarischen Passagen sind sich ihrer Sache sicher, sie skizzieren klare Fronten und eindeutige Thesen. Die Revolution erscheint folgerichtig und in ihren unmittelbar ökonomisch-politischen Zielen als eine abgeschlossene. Die fiktiven Passagen verunreinigen dieses Bild wieder, sie zeigen unfertige revolutionäre Subjekte, Rückstände des Alten, in sich widersprüchliche Konflikte. In diesen Passagen sitzt die geschichtsphilosophische These, eine, die in der bloßen Rekonstruktion der historischen Ereignisse nicht enthalten ist: Die Revolution ist nicht einfach nur eine in der Umwälzung der Besitzverhältnisse resultierende Volksbewegung, sondern in erster Linie eine Befreiung des Geistes. Sie ermöglicht es dem Individuum, "diese Welt zu verlassen", wie ein Lied ausführt, das dem Film sehr wichtig ist und dessen Titel ich leider auf die Schnelle nicht recherchieren konnte (der Freund, mit dem ich den Film angesehen habe, besteht darauf, dass das Lied um einiges komplexer ist, als ich es hier darstelle, da in dessen Text eine Doppeldeutigkeit Frau / Welt besteht; ich gehe davon aus, dass er recht hat). Die Welt zu verlassen, die den Einzelnen in seinen eigenen Beschränkungen einschließt, darum geht es Lied wie Film. Die Revolution als Bedingung der Selbstermächtigung und damit nicht als Ende der Geschichte, aber als Bedingung der Möglichkeit ihrer Beendigung. Um diesen Prozess einer Revolution-als-Selbstermächtigung darzustellen, benötigt der Film die Fiktion und ihre Freiheiten; denn idealerweise soll das postrevolutionäre Subjekt über sein eigenes Schicksal ebenso frei verfügen können, wie der Drehbuchautor über seine Figuren.
Und deswegen genügt es dem Film im weiteren auch nicht, zu erklären, was es mit dem konkreten Anlass auf sich hat: eine Arbeiterversammlung in einem sozialistisch bewirtschafteten Unternehmen im revolutionären Kuba; der erste Mann hat den Arbeitsplatz unter dem Vorwand verlassen, seine kranke Mutter zu besuchen, war tatsächlich aber mit einer Geliebten auf einem pleasure trip; der zweite Mann sollte sein Alibi sein, stimmte aus Macho-Solidarität zunächst zu, hat es sich inzwischen aber anders und besser überlegt. Zusätzlich muss der Film auch erklären, was das "mehr" ist, um das es ihm auch geht. Es geht ihm um nichts weniger als um eine umfassende Gesellschaftsanalyse, die begleitet wird von einer geschichtsphilosophischen These.
Sara Gomez hat diesen Film kurz vor ihrem viel zu frühen Tod abgedreht, nach einem Drehbuch, das sie gemeinsam mit Tomas Gutierrez Alea und Julio Garcia Espinosa verfasste. Der Film vermischt Dokumentarisches und Fiktives weniger, als dass er beide Formen als getrennte Strukturen parallel laufen lässt. Im Zentrum steht die Spielhandlung um den Mann, der im Streitgespräch als zweiter spricht und eine Frau, die eine Beziehung mit ihm beginnt. Beide sind vom Bewusstseinswandel, der die Revolution für den Film vor allem anderen ist, unterschiedlich stark erfasst worden. Sie stärker als er, der er als Studienabbrecher Gefahr läuft, wieder den alten (vor allem sexuellen Rollen-)Mustern zu verfallen. Doch auch sie hat mit dem sozialen Abstieg zu kämpfen, den sie nach der emanzipationsbedingten Trennung von ihrem wohlhabenden Mann durchmachen musste.
Immer wieder greift dann eine (in der Version, die ich gesehen habe englischsprachige) Erzählerstimme ein und ergänzt in korrekt historisch-materialistischem Vokabular den historischen und sozialen Kontext, in dem die Spielszenen stehen. Bisweilen werden diese dokumentarischen Einschübe gar durch Zwischentitel vom restlichen Film abgetrennt. Außerdem interagieren die beiden Hauptfiguren mit anderen Akteuren, die in der Mehrzahl sich selbst spielen. So direkt wie nur wenige kubanische Revolutionsfilme, die ich kenne, verkettet der Film in diesen dokumentarischen Passagen ökonomische und sexuelle Ausbeutungspraktiken. Sara Gomez hebt das Faktum des real existierenden Sexismus nicht im Gerede über Haupt- und Nebenwidersprüchen auf. Im Gegenteil vertritt der Film die These, dass der historisch gewachsene und vererbte Sexismus unter Umständen schwerer zu beseitigen sein kann als ungleiche Besitzverhältnisse. Konsequenter noch als der Revolutionsklassiker Lucia erscheint mir der Film in diesem Punkt. Solas' Film zeigt eine Kontinuität von Frauenleiden, hat aber keine These für die spezielle Ausformung dieser Kontinuität.
Die dokumentarischen Passagen sind sich ihrer Sache sicher, sie skizzieren klare Fronten und eindeutige Thesen. Die Revolution erscheint folgerichtig und in ihren unmittelbar ökonomisch-politischen Zielen als eine abgeschlossene. Die fiktiven Passagen verunreinigen dieses Bild wieder, sie zeigen unfertige revolutionäre Subjekte, Rückstände des Alten, in sich widersprüchliche Konflikte. In diesen Passagen sitzt die geschichtsphilosophische These, eine, die in der bloßen Rekonstruktion der historischen Ereignisse nicht enthalten ist: Die Revolution ist nicht einfach nur eine in der Umwälzung der Besitzverhältnisse resultierende Volksbewegung, sondern in erster Linie eine Befreiung des Geistes. Sie ermöglicht es dem Individuum, "diese Welt zu verlassen", wie ein Lied ausführt, das dem Film sehr wichtig ist und dessen Titel ich leider auf die Schnelle nicht recherchieren konnte (der Freund, mit dem ich den Film angesehen habe, besteht darauf, dass das Lied um einiges komplexer ist, als ich es hier darstelle, da in dessen Text eine Doppeldeutigkeit Frau / Welt besteht; ich gehe davon aus, dass er recht hat). Die Welt zu verlassen, die den Einzelnen in seinen eigenen Beschränkungen einschließt, darum geht es Lied wie Film. Die Revolution als Bedingung der Selbstermächtigung und damit nicht als Ende der Geschichte, aber als Bedingung der Möglichkeit ihrer Beendigung. Um diesen Prozess einer Revolution-als-Selbstermächtigung darzustellen, benötigt der Film die Fiktion und ihre Freiheiten; denn idealerweise soll das postrevolutionäre Subjekt über sein eigenes Schicksal ebenso frei verfügen können, wie der Drehbuchautor über seine Figuren.
Saturday, July 18, 2009
Wienerinnen, Kurt Steinwendner, 1952
Mit dem Neorealismus wird der Film in den wenigen kurzen Texten, die ich im Netz über ihn gefunden habe, in Verbindung gebracht. Sicherlich beeinflussten die italienischen Filme die Stoffwahl oder wenigstens die soziale Situierung: Es geht um mehr oder weniger unglückliche Frauenschicksale am unteren Ende der gesellschaftlichen Hierarchie, gleichzeitig geht es um Frauen, die sich durch ein Wien bewegen, das von den Weltkriegsbombardierungen noch deutlich gezeichnet ist. Aufs soziale Panorama, auf die kategorisierende Typologie, aufs gesellschaftliche Problem, auf soziale Argumente allgemein aber will der Film nie heraus. Überhaupt scheint Kurt Steinwendner eher als ein österreichischer Cousin Rossellinis ein entfernter Verwandter Murnaus gewesen zu sein. Im Grunde ist Wienerinnen ein zu spät gekommener Stummfilm. Genauer: Ein Stummfilm, der sich mit dem Fakt des Filmtons arrangieren muss.
Die leichte Klassik, die über dem Vorspann liegt, wird von den kaputten, wüst-hypnotischen Melodien des Heliophons abgelöst, das einen Großteil des Films begleitet und man vermag sich in diesem Moment ungefähr vorstellen, was für ein Ungetüm der Film im Jahr 1955 im österreichischen Kino gewesen sein muss. Wienerinnen ist nicht einfach ein Versuch, es den Großtaten der Meisterregisseure aus dem südlichen Nachbarland gleichzutun, viel eher ist Steinwendners Film ein monolithisches und bewußt einsames künstlerisches Statement, das nicht Teil / Anhängsel einer lebenden Bewegung sein möchte, sondern in seinem offen morbiden Gestus von Anfang an die Wahlverwandschaft von Toten zu bevorzugen scheint. Gleichzeitig mit der Tonspur verwandelt sich der blendend weiße Kopf der Marmorstatue, die die Eingangsmontage des hochkulturellen, respektablen Wiens abschließt...
...in das leid- (oder jedenfalls affekt-)verzerrte Gesicht der ersten der vier "Wienerinnen", die dem Film seinen Titel geben:
Bilder wie dieses prägen den Film. Gefühlsexzesse in Großaufnahme (Gefühlsexzesse sind Großaufnahmen...), Gesichter, auf die sich ein zuviel an Empfindsamkeit einschreibt, Gesichter, wie man sie so seit dem Siegeszug des Tonfilms kaum noch im Kino gesehen hat. Den exzessiven Ton lässt das Kino nicht so ohne weiteres zu (Ausnahmen bestätigen die Regel; deren vielleicht größte: Zulawskis Possession, insbesondere die Szene an der U-Bahn) und zwangsläufig soll dann auch das Bild auf den Exzess des Gefühls, einen Exzess, der nicht mehr schweben kann, sondern durch den Ton geerdet würde, verzichten.
Wienerinnen ist, wie gesagt, zwar nicht technisch, aber doch wesenhaft, ein Stummfilm.
Der Ton ist etwas, das diesem Film von außen zustößt. Er öffnet den Film nicht, sondern verschließt ihn nur noch weiter in neurotischer Manier. Dies gilt insbesondere für die Musik, bisweilen aber auch für die Dialoge. Ganz buchstäblich von außen kommt der Ton am Anfang jeder Episode. Der körperlose Erzähler ruft die jeweilige "Wienerin" an, sie kann ihn, wie wir, zwar hören, aber nicht sehen. Mit einer Stimme, die ihren Sadismus gar nicht erst zu verstecken sucht, bittet dieser Erzähler sie, ihm ihre Geschichte zu erzählen. Sie windet sich, muss sich aber fügen (der Film kommt der Stimme zu Hilfe und erzählt die Geschichte der Frau). Einen Voice-Over-Kommentar, der sich daran erfreut, seine Heldinnen zu quälen, wann hätte es so etwas im italienischen Neorealismus geben können? (Den Film rettet in diesen Momenten gerade sein Verzicht aufs Soziale, die Misogynie bleibt immer eine des privatistischen Erzählers und fügt sich nie zum reaktionären Gesellschaftsbild.) Sonderbar verschlungene Erzählungen entspringen aus dieser Konstellation: affektüberladene Frauengesichter und die sadistische Stimme von außen. Erzählungen mit morbiden Pointen, psychopathologische Erzählungen über Psychopathologien, Erzählungen, die nur in den wenigen Momenten, in denen sie sich einer Moral annähern, ein klein wenig unehrlich wirken
Die vier Episoden schlagen in stilistischer Hinsicht unterschiedliche Richtungen ein, mir scheint aber, dass fast alle dieser Richtungen dem Stummfilm entstammen (oder zumindest dem Vorkriegstonfilm, wie im Fall der letzten Episode, die mich an den poetischen Realismus Carnes erinnert hat). Die zweite Episode etwa steigert sich in einen wilden Rauschzustand, der in einer psychopathologischen Überblendungs-Montage (komplett mit Zwischentiteln in diesem Fall sogar) resultiert, wie sie das Weimarer Kino besser nicht hinbekommen hätte können. Am schönsten vielleicht die dritte Episode, in der sich zum Exzess des Affekts und der Filmsprache einer der Narration gesellt. Eine hanebüchene Geschichte um Mord, Gefängnisausbruch und einen durchgeknallten Künstler spinnt Steinwendner da zusammen. Die Kausallogik ist am Ende, der Affekt ist nicht mehr Reaktion auf eine Situation, eher ist die Situation eine halluzinierende Projektion des wildgewordenen Affekts. Gesehen haben sollte man nicht nur diese dritte Episode.
Wienerinnen ist als Teil der Edition Standard auf DVD erschienen und im Videodrom ausleihbar. Auf der DVD findet sich außerdem Steinwendners Kurzfilm Der Rabe, eine wilde, kurze Poe-Adaption, die keine Gefangene macht.
Die leichte Klassik, die über dem Vorspann liegt, wird von den kaputten, wüst-hypnotischen Melodien des Heliophons abgelöst, das einen Großteil des Films begleitet und man vermag sich in diesem Moment ungefähr vorstellen, was für ein Ungetüm der Film im Jahr 1955 im österreichischen Kino gewesen sein muss. Wienerinnen ist nicht einfach ein Versuch, es den Großtaten der Meisterregisseure aus dem südlichen Nachbarland gleichzutun, viel eher ist Steinwendners Film ein monolithisches und bewußt einsames künstlerisches Statement, das nicht Teil / Anhängsel einer lebenden Bewegung sein möchte, sondern in seinem offen morbiden Gestus von Anfang an die Wahlverwandschaft von Toten zu bevorzugen scheint. Gleichzeitig mit der Tonspur verwandelt sich der blendend weiße Kopf der Marmorstatue, die die Eingangsmontage des hochkulturellen, respektablen Wiens abschließt...
...in das leid- (oder jedenfalls affekt-)verzerrte Gesicht der ersten der vier "Wienerinnen", die dem Film seinen Titel geben:
Bilder wie dieses prägen den Film. Gefühlsexzesse in Großaufnahme (Gefühlsexzesse sind Großaufnahmen...), Gesichter, auf die sich ein zuviel an Empfindsamkeit einschreibt, Gesichter, wie man sie so seit dem Siegeszug des Tonfilms kaum noch im Kino gesehen hat. Den exzessiven Ton lässt das Kino nicht so ohne weiteres zu (Ausnahmen bestätigen die Regel; deren vielleicht größte: Zulawskis Possession, insbesondere die Szene an der U-Bahn) und zwangsläufig soll dann auch das Bild auf den Exzess des Gefühls, einen Exzess, der nicht mehr schweben kann, sondern durch den Ton geerdet würde, verzichten.
Wienerinnen ist, wie gesagt, zwar nicht technisch, aber doch wesenhaft, ein Stummfilm.
Der Ton ist etwas, das diesem Film von außen zustößt. Er öffnet den Film nicht, sondern verschließt ihn nur noch weiter in neurotischer Manier. Dies gilt insbesondere für die Musik, bisweilen aber auch für die Dialoge. Ganz buchstäblich von außen kommt der Ton am Anfang jeder Episode. Der körperlose Erzähler ruft die jeweilige "Wienerin" an, sie kann ihn, wie wir, zwar hören, aber nicht sehen. Mit einer Stimme, die ihren Sadismus gar nicht erst zu verstecken sucht, bittet dieser Erzähler sie, ihm ihre Geschichte zu erzählen. Sie windet sich, muss sich aber fügen (der Film kommt der Stimme zu Hilfe und erzählt die Geschichte der Frau). Einen Voice-Over-Kommentar, der sich daran erfreut, seine Heldinnen zu quälen, wann hätte es so etwas im italienischen Neorealismus geben können? (Den Film rettet in diesen Momenten gerade sein Verzicht aufs Soziale, die Misogynie bleibt immer eine des privatistischen Erzählers und fügt sich nie zum reaktionären Gesellschaftsbild.) Sonderbar verschlungene Erzählungen entspringen aus dieser Konstellation: affektüberladene Frauengesichter und die sadistische Stimme von außen. Erzählungen mit morbiden Pointen, psychopathologische Erzählungen über Psychopathologien, Erzählungen, die nur in den wenigen Momenten, in denen sie sich einer Moral annähern, ein klein wenig unehrlich wirken
Die vier Episoden schlagen in stilistischer Hinsicht unterschiedliche Richtungen ein, mir scheint aber, dass fast alle dieser Richtungen dem Stummfilm entstammen (oder zumindest dem Vorkriegstonfilm, wie im Fall der letzten Episode, die mich an den poetischen Realismus Carnes erinnert hat). Die zweite Episode etwa steigert sich in einen wilden Rauschzustand, der in einer psychopathologischen Überblendungs-Montage (komplett mit Zwischentiteln in diesem Fall sogar) resultiert, wie sie das Weimarer Kino besser nicht hinbekommen hätte können. Am schönsten vielleicht die dritte Episode, in der sich zum Exzess des Affekts und der Filmsprache einer der Narration gesellt. Eine hanebüchene Geschichte um Mord, Gefängnisausbruch und einen durchgeknallten Künstler spinnt Steinwendner da zusammen. Die Kausallogik ist am Ende, der Affekt ist nicht mehr Reaktion auf eine Situation, eher ist die Situation eine halluzinierende Projektion des wildgewordenen Affekts. Gesehen haben sollte man nicht nur diese dritte Episode.
Wienerinnen ist als Teil der Edition Standard auf DVD erschienen und im Videodrom ausleihbar. Auf der DVD findet sich außerdem Steinwendners Kurzfilm Der Rabe, eine wilde, kurze Poe-Adaption, die keine Gefangene macht.
Labels:
Expressionismus,
Kurt Steinwendner,
Melo,
Neorealismus,
Österreich,
Sozialdrama,
Wienerinnen
Subscribe to:
Posts (Atom)